Prinzessin auf Entdeckungsreisen

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Ausstellungsnische, die Therese gewidmet ist: mit ihrem Porträt, ihren Aufzeichnungen und dem Gürteltier, das sie mit nach München brachte. Foto: Borée
Ausstellungsnische, die Therese gewidmet ist: mit ihrem Porträt, ihren Aufzeichnungen und dem Gürteltier, das sie mit nach München brachte. Foto: Borée

Lebenslinien: Landesausstellung zeigt Prinzessin Therese auf neuartigen Pfaden

Anstatt im Ballsaal ihre Runden zu drehen und zu feiern, bahnte sie sich ihre Pfade durch den Urwald. Prinzessin Therese von Bayern (1850–1925) schlug einen ungewöhnlichen Weg ein. Die einzige Tochter des Prinzregenten Luitpold und Schwester des späteren Königs Ludwig III. erwarb sich einen Ruf als Wissenschaftlerin und Reiseschriftstellerin.

Leidenschaftlich brach sie zu Entdeckungsreisen auf. Auf ihren Expeditionen erwies sich Therese keinesfalls als „Prinzessin auf der Erbse“, sondern im Gegenteil als ausdauernd und robust. Mitten in den Anden stürzte sie etwa vom Maultier und prellte sich die Rippe. Doch stieg sie sofort wieder auf das Reittier: Weiter ging es. Das berichtet Linda Brüggemann vom Haus der Bayerischen Geschichte, die den Katalog der aktuellen Bayerischen Landesausstellung 2021 mitverfasst hat, im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Dort sind unter anderem There-ses Lebensspuren unter dem etwa dramatischen Titel „Götterdämmerung II – Die letzten Monarchen“ zu sehen. Zum Jubiläum des Todes Ludwigs III., der als letzter bayerischer König im Jahr 1921 starb, zeigt sie Schicksale und Lebens-gefühle der Monarchie nach dem „Märchenkönig“ und „Sissi“. 

Wissen und Weitsicht

Zwar konnte Therese auch als Prinzessin nicht studieren, doch eignete sie sich selbst ein umfangreiches Wissen in verschiedenen Naturwissenschaften an. Zudem erlernte sie elf Sprachen. Das Frauenstudium ließ ihr Vater, Prinzregent Luitpold, 1903 einführen.

Die Prinzessin brach bereits mit 21 Jahren zu ersten Forschungsreisen auf. Umfangreiche Expeditionen führten sie in den nächsten vier Jahrzehnten etwa nach Nord- und Südamerika, durch Russland und ins Polargebiet. Sie verschafften ihr den Ruf einer unermüdlichen Sammlerin und Forscherin. Und das oft in unwirtlichen Gebieten.  

Der Ausstellungskatalog gibt ihre Darstellung der Tour wieder: „Wohlausgerüstet saßen wir zu Maultier. Ich hatte einen kleinen photographischen Apparat, meinen Feldstecher und eine Kameratasche umgehängt. In letzterer befanden sich, außer den nötigen Karten, die Papiertüten und Zange zum Schmetterlingsfang, die Medizin und die Binden gegen Schlangenbiss.“ 

Oft nur drei Begleiter waren mit ihr unterwegs. Ein meist adliger „Kavalier“ kümmerte sich um Organisatorisches und Finanzen. Eine Hof-dame half ihr mit dem Fotoapparat und kochte. Und „der bewährte Diener Max Auer“ trug Teile der Ausrüstung sowie die Vogelflinte. Wenn sich keine andere Herberge fand, ließ sie ein Zelt aufschlagen. Sie wollte auf ihren Reisen möglichst unerkannt und diskret bleiben. 

Um unabhängig zu bleiben, verweigerte sie sich einer standesgemäßen Ehe, obwohl Vater und Brüder immer wieder mögliche Heiratskandidaten einluden. Wenn sie gerade zu Hause war, unterstützte sie nach dem frühen Tod der Mutter ihren Vater als erste Dame des Staates bei seinen repräsentativen Pflichten. Daher bestand Luitpold wohl nicht auf einer Verheiratung der Tochter.

Quer durch Lateinamerika

1898 war sie länger als ein halbes Jahr durch Südamerika unterwegs. Von dort brachte Therese besonders umfangreiche zoologische und botanische Sammlungen mit. Gleich vor Ort bestimmte und präparierte sie die Objekte und legte etwa ein Herbarium an. 

Die Expedition führte sie über die Karibik und die kolumbianische Pazifikküste per Schiff nach Ecuador und Peru bis nach Chile. Unterwegs kaufte sie von einem Mitreisenden ein lebendes Gürteltier. Vor Ort galten die Tiere als Delikatesse. Die Prinzessin nahm das Tier jedoch lebend mit, um das Verhalten dieses primitiven Säugetiers zu studieren. 

Therese über das Tier: „Es nahm wohl die Nahrung aus der Hand, schien aber Fremde und Bekannte nicht zu unterscheiden… Es lief ungemein rasch, knurrte, wenn man es in den Händen hielt, und begann, wenn ihm seine freie Bewegung längere Zeit vorenthalten wurde, ein durchdringendes, schnatterndes Geschrei. Im ganzen war es ein überaus harmloses, gutmütiges Geschöpf, das sich niemals durch Beißen, sondern nur durch Strampeln um seine Freiheit wehrte.“ 

In weniger als einer Woche überquerte sie vom chilenischen Valparaíso ausgehend den Kontinent bis nach Buenos Aires – einschließlich eines fast 4.000 Meter hohen Passes. Weniger als einen Tag vor Abfahrt ihres Passagierdampfers nach Portugal erreichte sie den Hafen.

Und dies mit zwölf schweren Kisten im Gepäck, die mit ihren Sammlungen gefüllt waren. Sie enthielten allein rund 430 Pflanzenarten und neun bislang unentdeckte Arten. Fünf sind nach ihr benannt – mit dem lateinischen Namenszusatz „theresiae“ oder „theresae“. Sie brachte genauso 228 präparierte Fische mit, darunter acht neue Arten. 

Das Gürteltier gelangte „in bestem Wohlsein“ nach München. Sein Präparat ist nun in Regensburg zu sehen. Auch andere lebende Tiere hatte Therese von ihren Reisen mitgebracht. Neben Kanarienvögeln und einem Amazonenpapagei, der ihr 37 Jahre lang erhalten blieb, brachte sie ein Krallenaffenpärchen, ein Chamäleon und einen Rüsselbär nach München. Er wuchs Therese besonders ans Herz. „Er war zuletzt anhänglich wie ein Hund, folgte mir auf Schritt und Tritt und zeigte sich während seiner längeren Krankheit rührend sanft für ein wildes Tier.“ In der Haltung ihrer Tiere bemühte sich Prinzessin Therese um möglichst artgerechte Lebensbedingungen – da war sie ihrer Zeit voraus.

Ihre Bibliothek umfasste etwa 11.000 „Einheiten“, davon 580 Landkarten. Sie ging nach ihrem Tod in die Bayerische Staatsbibliothek ein. Dort wurden sie ohne besondere Herkunftsangabe in den Bibliotheksbestand eingearbeitet.

Nach dem Tod ihres Vaters 1912 beendete Therese mit 62 Jahren das Reisen und zog sich nach Lindau zurück. Doch auch nun feierte sie nicht die Nächte durch. Sie widmete sich sozialen und politischen Fragen und setzte sich für die Verbesserung der Mädchen- und Frauenbildung ein.

Den Ausbruch des Ersten Weltkrieges lehnte Therese ausdrücklich ab: „Die offiziellen Lügen verfingen nicht bei mir, weil ich es besser wußte“, bemerkte sie. Sie kümmerte sich danach um Verwundete sowie französische und russische Kriegsgefangene, so Linda Brüggemann. Die Gefangenen versorgte sie und versuchte Kontakte zu deren Angehörigen herzustellen. Susanne Borée

Landesausstellung „Götterdämmerung II – Die letzten Monarchen“ im Haus der Bayerischen Geschichte am Regensburger Donaumarkt voraussichtlich bis 16. Januar 2022. Eintritt regulär 12 Euro. Mehr unter https://hdbg.de. Gleichnamiger Ausstellungskatalog, 220 Seiten, 978-3-937974-51-4, 29,95 Euro.