Editorial von Susanne Borée im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern
Das Editorial zum Hören:
Und zum Nachlesen:
Auf in den Sommer! Die lauen Abende genießen, so lange es geht. Endlich ist wieder Leben auf die Marktplätze und in die Biergärten zurückgekehrt. Nach dem allzu langen Corona-Winter und dem allzu unbeständigem Wetter der vergangenen Wochen wärmen die Sonnenstrahlen ganz besonders.
Doch hat dieses sommerliche Lebensgefühl fast etwas Hektisches: Es scheint nicht nur ein Nachholbedürfnis da zu sein, so viele soziale Kontakte und so viel Nähe zu spüren, wie es nur geht. Nein, es gilt fast auch Vorräte zu sammeln für die kommende Zeit der Kälte. Die Termine und Treffen überschlagen sich fast. Wer weiß denn, was im Herbst sein wird?
Es sieht fast wie ein Tanz auf sehr dünnem Eis aus – auch wenn die Jahreszeit so gar nicht danach ist. Aber die Kälte kommt noch früh genug – zuerst wohl im Herbst in viele Klassenzimmer, die dann immer noch keine andere Möglichkeit gegen die Ansteckung haben werden als Lüften und Testen – falls nicht ein Wunder geschieht.
Verdrängen wird groß geschrieben. So wie bei den zwei Damen, die mir kürzlich in der Bahn gegenüber saßen und ihre Masken nasenfrei trugen. „Wir sind ja geimpft“, erklärten sie fröhlich. Dass sie so immer noch das Virus unter Umständen weitertragen können und dies selbst gar nicht merken – das begriffen sie nur schwer.
Schließlich sind die Menschen immer noch unsichtbar, die sich etwa aufgrund anderer Erkrankungen nicht impfen lassen können – und bei einer Ansteckung besonders gefährdet sind. Da bleibt ihnen nur, wie bisher möglichst abgeschlossen zu Hause zu bleiben.
Kaum sichtbar bleiben auch die Menschen, die bei dem aktuellen Konsumrausch, einem neuen Tanz ums Goldene Kalb, gar nicht mitmachen können: Ihre Mittel reichten dazu schon immer nicht aus oder sie verloren durch Corona ihre Existenzgrundlagen.
Ist dies nur ein Spielverderben bei diesem Sommermärchen, das alte Leichtigkeit in neuem Gewand verspricht? Für einige Stunden oder Wochen lässt sich nur allzu gerne vergessen, dass „es“ nicht vorbei ist. Dass die Zahlen steigen. Dass wir uns noch vor wenigen Wochen schworen, einmal neue Wege auszuprobieren. Dass allzu viele Menschen überhaupt keine Wege mehr beschreiten können.
Auch für sie sollte der Sommer und genauso der kommende Herbst Wärme bringen. Und das wünsche ich Ihnen für die kommenden Wochen!