Von der Finsternis zum Licht

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zu Ostern

Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, … So errettete der Herr an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand, und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen. Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben; Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt.

aus 2. Mose 14

Lasst uns tanzen, singen, musizieren – nach allem, was wir miteinander erlebt und durchgestanden haben. Danken wir Gott!“, ermutigt die Prophetin Mirjam. Grauenhaftes haben sie miteinander durchlitten: die Flucht vor den unbarmherzigen Verfolgern, die inneren und lautstarken Zweifel, unerklärliche Naturphänomene, das grausame Ertrinken von Tieren und Gegnern und die eigene wundersame Rettung. Das Meerwunder bildet den dramatischen Höhepunkt dieser Befreiungsgeschichte. 

Mirjam und das Volk des Exodus sind uns hier in existentieller Weise voraus. Sie haben die Flut hinter sich, während wir Ostern 2021 von der dritten Welle der Pandemie bedroht und beeinträchtigt sind in allen Lebensvollzügen. Mit Sorge blicke ich auf die Kinder und Jugendlichen: Wann wird mein fußballbegeisterter, sportlicher Konfirmand endlich wieder lachen und mit seinen Freunden unbefangen spielen können? Werden die Kleinkinder nach der Pandemie ohne Angst die Umarmung der Großeltern erleben und umgekehrt? Wie werden die Menschen mit ihren diffusen Schuldgefühlen fertig, ihre Angehörigen im Seniorenheim oder beim Sterben unter Corona-Auflagen nicht genügend begleitet zu haben? 

Nach einem Jahr wechselnder Pandemiebeschränkungen und Perspektiven kommen mir die Klagen der verzweifelten und zermürbten Israeliten in der Wüste bekannt vor: „Es ist alles umsonst. Wir haben scheinbar in der Vergangenheit den falschen Weg eingeschlagen. Gegen diese Übermacht kann uns Gott auch nicht helfen.“ So erzählt eine 13-Jährige Konfirmandin: „Manchmal bin ich so verzweifelt. In diesem Auf und Ab der Zahlen ist kein Ende in Sicht. Und Gott scheint so weit weg. Und dann bete ich wieder zu ihm.“ Ich kann ihre Verzweiflung und ihr Ringen um Gottes Nähe nachempfinden, und will doch dabei nicht stehen bleiben. 

In Jesu Tod am Kreuz und in seiner Auferstehung erlebe ich die Nähe Gottes. Und da gehören alle Ambivalenzen dazu, das verzweifelte Ringen mit seinem Vater, seine liebevolle Zuwendung und Fürsorge um seine Nächsten, sein leidvoller Tod am Kreuz und die Auferstehung.  

Ostern werden wir wieder anders feiern, als wir es geplant und ersehnt haben. Gleichzeitig nehmen wir wahr: Menschen sind von der Flut der Pandemie unterschiedlich betroffen. Sie, die unterzugehen drohen in Verzweiflung, wirtschaftlichen Sorgen, Radikalisierung oder Vereinsamung, gilt es ernst zu nehmen. Und weiter fürsorglich für das Leben und die Gesundheit Aller die Auflagen gegen die Pandemie einzuhalten. 

Das Osterevangelium will und wird hineinklingen in unser Leben und die Welt. Unser Gott ist ein Gott, der das Leben liebt. Er führt von der Finsternis zum Licht und vom Tod ins Leben. Darum stimme ich mit Mirjam in das Lob Gottes ein. Kurt Marti beschreibt dieses Loblied in einem Gedicht so: „Im lahmen der hüpft, im stummen der singt, im blinden der sieht, sind flöte und horn, sind cymbal und schlagzeug, sind bass und schalmei, sind tanz und musik des herrn.“  

Dekanin Christiane Murner, Neumarkt