Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat
Wer denkt, der dankt – ein Wortspiel, das besonders gut auf den kommenden Sonntag zutrifft. Erntedankfest fällt meist auf den ersten Sonntag nach Michaelis (29. September). Und auch wenn die Frostnächte Ende April dies Jahr gerade in den Höhenlagen Frankens der Obstblüte arg zugesetzt haben, werden in diesem Jahr wieder allerorten Erntekronen, gefüllte Körbe mit Gemüse, Obst und Walnüssen, appetitliche Brotlaibe und Gläser mit Honig an den Altarstufen aufgestellt und bewundert.
Oft werden die Lebensmittel dann an soziale Einrichtungen gespendet. Das ist gut so. Denn wer dankt, denkt nach. Sollte man zumindest annehmen. In diesen Zeiten zumal, die im Vorfeld und Nachhall der Landtagswahlen von Misstönen über Migration und Fremdenangst übetönt waren. Ich bin froh, dass die Kirchen sich dafür nicht hergeben. Dass sie sich vielmehr mahnend auf die Seite der Schwachen stellen. Es gilt zu bedenken: Wenn in einer Gesellschaft nicht sozial eingeübt wird, mit den Anderen, die nun einmal anders sind, konstruktiv umzugehen, werden diese leicht zur Beute populistischer Angriffe und platter Verallgemeinerungen.
Wer anderen nicht ihre Menschenwürde gönnt und für sie einsteht, sagt der Theologe Otmar Fuchs, distanziert sich von seiner eigenen Mitmenschlichkeit und kann diese nur als etwas Fremdes empfinden. Auszubaden haben diese Strategie dann die wirklichen Fremden, in diesem Fall die Flüchtlinge und Asylsuchenden in Deutschland.
Von daher ist das Erntedankfest durchaus auch ein politischen Fest, an dem sich Christen ihrer Verantwortung für die Schöpfung bewusst werden sollen. Und Schöpfung ist in diesem Fall nicht etwas vormals Geschaffenes sondern ein sich ständige fortsetzender Prozess, den wir durchaus beeinflussen können. Indem wir sorgsam mit dieser Schöpfung umgehen und diese nicht noch mehr durch unbedachtes Verhalten weiter belasten. Voraussetzung ist, dass wir uns mit den Problemen befassen, ihnen ins Auge sehen, und nach Lösungen zu suchen.
Man könnte dies unter einen Begriff „Soziales Lernen“ stellen, bei dem man sich den Tatsachen stellt, Auswege sucht und dabei das Leid der Anderen nicht vergisst. Nicht von ungefähr hat dieses Sonntagsblatt 24 Seiten. Geht es doch darum, zu danken und zu denken.