Kommentar von Susanne Borée im Evangelischen Sonntagsblatt über Krisen, Sorgen und Dankbarkeit
Ganz unter uns: Ich neige zunehmend zur Vorratshaltung – offenbar eine Spätfolge der Corona-Krise. Damals fing es an: Kaum war mit dem Beginn des Ukraine-Krieges die Pandemie abgeschafft, entdeckte ich tatsächlich in einer dunklen Ecke des Dachbodens noch ein eingeschweißtes Zehnerpack an Toilettenpapier!
Die Inflation hat die Symptome verstärkt: So billig wie jetzt, bekommst du den Kaffee nicht mehr – und auch nicht die Reinigungsmittel! Diese Zeiten weckten das Eichhörnchen in mir. Doch das Haltbarkeitsdatum auf Dosen wird manchmal zur spannenden Lektüre: Wann müssen Fertiggerichte vertilgt sein? Gut, sie gehen nicht unbedingt an dem Tag über, der auf ihren Deckel gedruckt ist (Haftung aber ausgeschlossen!). Doch gilt es, den Überblick zu behalten!
Bin ich jetzt zur „Prepperin“ geworden? Eine mobile Elektroheizung steht seit August 2022 ebenfalls unausgepackt auf meinem Dachboden – falls sich die Gas-Krise wieder verschärft.
Ich halte mich weiterhin brav an die Empfehlung meiner Innenministerin, zehn Liter Mineralwasser pro Person im Haushalt zu haben – falls mangels Stroms auch das Leitungswasser nicht mehr läuft. Nun weiß ich: Auch Mineralwasser hat sein Haltbarkeitsdatum.
Doch Gaskartuschen sind sowieso billiger im Sechser-Pack. Sie halten sich gut über den Winter und ich brauche sie dann sowieso zum Camping im Sommer (wenn auch nicht in Massen). Dank ihnen und meinem Advents-Kaffee wird es auch in der größten Krise bei mir morgens bis auf Weiteres erst einmal eine ordentliche Portion Koffein geben – jawohl!
Noch sortiere ich nicht tagesfüllend meine Vorräte. Und die Olivenöl-Teuerung habe ich leider erst zu spät vorausgesehen! Und dies, obwohl es eine Folge des Klimawandels ist: In ihrer Heimat, den mediterranen Gebieten, wird es zunehmend trockener – selbst zu unangenehm für die Bäume, die dann weniger Frucht bringen.
Natürlich ist es sinnvoll, Äpfel und Kartoffeln im Herbst einzulagern. Und Konfitüre einzukochen, wenn Obst reif ist. So haben die Vorfahren erfolgreich überwintert. Die Supermärkte mit ihren zeitlich befristeten Schnäppchen verstärken jedoch diese Trends endlos.
Das Eichhörnchen in mir ist dafür dankbar! Gerade im Herbst verstärken sich seine Instinkte in mir. Doch die possierlichen Tierchen verlieren wohl öfter den Überblick über ihre Vorräte – worüber sich der Wald freut. So sprießen neue Buchen oder Haselnüsse daraus.
Ich hingegen muss mühsam wieder entsorgen, was ich zu viel gehortet habe. Und mich darüber ärgern, doch nichts gespart zu haben, sondern eher zu verschwenderisch gewesen zu sein. Schnäppchenjagd und richtiges Lagern kann schnell zum Selbstzweck werden. Vorratshaltung fördert nicht die Dankbarkeit, sondern eher die Unzufriedenheit: Ich ärgere mich eher über mein komplettes Versagen in der Olivenölfrage als dass ich für meine vorausschauenden Kaffee-Vorräte dankerfüllt bin.
Bin ich da unmerklich zur reichen Kornbäuerin geworden (Lukas 12)? Absolute Sicherheit kann es auch bei bestens gefüllten Vorratslagern nicht geben! „Wer nur für sich selbst Schätze sammelt“ erhält Unzufriedenheit, verengte Perspektiven und Erstarren schnell gratis dazu.
Bisher bin ich beschützt gewesen! Die Eichhörnchen jedenfalls scheinen sich über den Sonnenschein auch in kalter Jahreszeit mehr zu freuen, als dass sie sich über entbehrliche Vorräte ärgern. Bislang habe ich von keinem der Tierchen gehört, dass es zu besorgt sei oder sich zu verunsichert fühle. Ist ihre Leichtigkeit nicht schon „Reichtum in Gott“ (Lk 12,21)?