Wolodomyr contra Franziskus

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Die gewundenen Türme der Nikolaus-Kathedrale in Czernowitz (Westukraine) symbolisieren auch die Turbulenzen um das drohende Verbot orthodoxer Gemeinden, die zum Moskauer Patriarchat gehören. Foto: Kirch
Die gewundenen Türme der Nikolaus-Kathedrale in Czernowitz (Westukraine) symbolisieren auch die Turbulenzen um das drohende Verbot orthodoxer Gemeinden, die zum Moskauer Patriarchat gehören. Foto: Kirch

Kirchen der Ukraine im Mahlwerk des Krieges

Der Moskauer Patriarch Kyrill verdient – weiß Gott – keine Sympathien. Er ist ein Freund Putins, unterstützt ohne Wenn und Aber dessen Angriffskrieg in der Ukraine: schlimmer noch, er segnet Waffen der Aggressoren und ist ein Propagandist des russischen Geheimdienstes.

Dass man in der Ukraine diesem Mann und seiner orthodoxen Kirche kein Fünkchen Vertrauen entgegenbringt, ist beileibe kein Wunder. Und gleichzeitig erwächst daraus ein Riesendilemma. Denn nachdem die Ukraine sich mit Billigung Moskaus in die Unabhängigkeit verabschiedet hatte, gehörten die allermeisten Klöster und Ausbildungsstätten, die Bischöfe, Popen und die meisten Gläubigen zur russischen Orthodoxie (UOK).

Erst langsam bildete sich eine nationale orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) heraus, die – gegen den erklärten Willen Moskaus – im Jahr 2018 mit dem Segen des ökumenischen Patriarchen Bartholomaios zu einem eigenen Patriarchat erhoben wurde. Wichtig auch anzumerken, dass nach dem Einmarsch von 2022 sich die weiter dem russischen Patriarchat angehörigen ukrainischen Bischöfe klar distanziert haben.

Das Misstrauen der meisten Ukrainer wurde damit nicht abgebaut. Am 20. August wurde im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das ein Verbot russisch-orthodoxer Gemeinden vorsieht sollte ihnen die Zusammenarbeit mit Russland nachgewiesen werden. Was wiederum die Kritik des Papstes aber auch des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) unter Federführung des früheren bayerischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm heraufbeschwor. Franziskus etwa sieht die Religionsfreiheit gefährdet und meint, Beten sei schließlich kein Verbrechen. Keine christliche Kirche solle direkt oder indirekt verboten werden. Heinrich Bedford Strohm wiederum zeigte sich „zutiefst beunruhigt über die Möglichkeit einer ungerechtfertigten kollektiven Bestrafung einer ganzen Religionsgemeinschaft“ und befürchtet mögliche Verletzungen des Grundsatzes der Glaubensfreiheit.

Der ukrainische Präsident Wolodomyr Selensky reagierte verärgert und warf seinerseits den Kritikern des Gesetzes vor, sich von der Moskau-Propaganda einwickeln zu lassen.

Tatsächlich bereitet das auf den Weg gebrachte Gesetz Unbehagen. Glaubt man allerdings wohlmeinenden Beobachtern sind sechs Stufen vor einem Verbot zwischengeschaltet. Und ja, es stimmt ja auch, dass Moskau die Kirche als Werkzeug der Militarisierung benutzt.

Die meisten russischen Orthodoxen in der Ukraine haben sich davon glaubhaft distanziert. Es kommt jetzt darauf an, wie das Gesetz ausgelegt und angewandt wird. Denn wenn sich auch die Hoffnung nicht erfüllt, dass von den Kirchenführungen eine Friedensinitiative ausgeht, so sind Gotteshäuser vielleicht doch Orte der Einsicht, des Gebets, der gemeinsamen Trauer über die Opfer des unsinnigen Krieges.

Und wir können nur hoffen, dass der Krieg, der der ukrainischen Demokratie aufgezwungen wurde, nicht auch die Demokratie selbst gefährdet. Indem nämlich Mittel angewandt und Gesetze verabschiedet werden, die letztlich das Verhalten der Aggressoren spiegeln.