„Die Kirche wird nicht untergehen“

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Gisela Bornowski. Foto: Borée
Gisela Bornowski. Foto: Borée

Regionalbischöfin Gisela Bornowski über Vertrauen, Wandel und Beständigkeit 

Die Ängste und Sehnsüchte der Menschen ernst zu nehmen, da sind wir als Kirchen gefragt“, erklärt Gisela Bornowski. Der Regionalbischöfin im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg liegt es besonders am Herzen, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein. Und gerade deren Sorgen und Ängste vermehren sich in den vergangenen Monaten und Jahren deutlich – und finden im Extremfall ein Ventil in Hass und Hetze. Da braucht es längst keinen Blick mehr auf die aktuellen Wahlen im Osten des Landes. Wie lässt sich so eine christliche Zuversicht weitertragen? 

Diese Fragen treiben Gisela Bornowski um – nicht nur auf ihrem Sommerempfang (vergleiche Sonntagsblatt Nr. 31 vom 4. August), sondern auch und gerade im Alltag. Im Gespräch mit dem Rothenburger Evangelischen Sonntagsblatt ging sie ihnen zusammen mit ihrem Referenten Dr. Gerhard Gronauer nach.

Da haben ihr die „Bündnisse für Demokratie und Vielfalt“ Anfang des Jahres große Hoffnungen gemacht. Viele Dekaninnen und Dekane in der Region Ansbach-Würzburg hätten dies „zu ihrer eigenen Sache gemacht“ und sich vielerorts intensiv engagiert – nicht nur in Dinkelsbühl, Uffenheim oder Bad Windsheim. Sie eröffneten „Gesprächsräume“ zugunsten der Menschenwürde und Gottesebenbildlichkeit, die kontinuierlich weitergehen. 

Gerade die Diakonie könne als „Hoffnungsträger“ Menschen in Umbrüchen unterstützen und ihnen so die Ängste ein Stück weit nehmen. Gleichzeitig ist es Gisela Bornowski wichtig, Gesprächspartnern mit einem anderen Horizont genau zuzuhören, „was ihnen auf den Nägeln brennt“ – sofern sie ihr Anliegen in angemessener Weise äußern.

Dagegen gilt: „Ein angstfreies und sorgloses Leben gibt es nicht.“ Selbst nicht unter völlig gesicherten Verhältnissen. Trotz der besten Vorsorge kann über Nacht etwa eine Krankheit zuschlagen, die das bisherige Leben zum Einsturz bringt. 

Aber könnten nicht Christen „mehr Vertrauen haben“ als andere? Auch das falle ihnen natürlich nicht einfach zu und sie „haben es nicht ein für alle Mal in der Tasche“. Nein, dazu braucht es Beharrlichkeit, gerade beim Einüben einer hoffnungsvollen Haltung, dass Gott „uns nicht mehr zumutet, als wir tragen können“. In diesem Zusammenhang erinnert Gisela Bornowski an Dietrich Bonhoeffers Vertrauen: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf ihn verlassen.“

Hoffnungsrituale einüben

Um eine hoffnungszugewandte Haltung einzuüben und dadurch Stärkung zu erfahren, könnten christliche Rituale helfen – etwa ein regelmäßiges Morgengebet. Oder der Besuch von Gottesdiensten – längst nicht mehr nur in traditioneller Form am Sonntagmorgen. Für die vielfältigen persönlichen Bedürfnisse gäbe es da immer mehr Formate, so Bornowski. Dies zeigte ebenfalls der aktuelle Aktions-Sonntag „Gottesdienst erleben“. 

Im Sommer treffen Freiluftgottesdienste in der Natur das Bedürfnis vieler Menschen. Oder auch das Pilgern, ergänzt Gerhard Gronauer. Er bietet nun Anfang Oktober niedrigschwellige Formen eines „Gemeinsamen Pilgerns in der Hesselberg-Region“ an (vgl. letzte Ausgabe).

Welche neuen spirituellen Formen sprechen besonders viele Menschen an? Das sei selbst Entwicklungen unterworfen, so Bornowski. Das Zusammenwirken zwischen Andacht und gehaltvoller Kirchenmusik wirke da etwa sehr ansprechend für viele. In einer Dorfgemeinde hätte sie kürzlich im Anschluss an einen Gottesdienst ein „super Klavierkonzert mit Gesang“ erlebt. Dort, wo solche Gaben vorhanden sind, ließen sie sich vielleicht noch besser bergen. Dies könne aber nicht „obendrauf geschehen“, sondern es seien Kooperationen nötig, um mehrere Formate nebeneinander zu ermöglichen. 

Natürlich besteht da schnell das Problem langer Anfahrtswege gerade im ländlichen Bereich. Neben Fahrgemeinschaften und Abholdiensten gibt es da auch viele großartige Möglichkeiten medialer Verkündigung. Da poste etwa eine Pfarrerin intensiv auf Instagram, so Bornowski. „Oder in Wassertrüdingen gibt es immer noch jeden Tag per App eine Kurzandacht“, ergänzt Gronauer, die sich seit den Corona-Zeiten bewährt habe.

Gabenorientiert aktiv

„Was können wir mit unseren Kräften leisten?“ gibt die Regionalbischöfin zu bedenken. Dafür seien „gabenorientierte“ Schwerpunkte zu bilden – vielleicht künftig schon bei Ausschreibungen.

Ebenso ist es ihr wichtig, Pfarrpersonen von der Verwaltungsarbeit „institutionell zu entlasten“. Das betrifft gerade die Geschäftsführung in den Pfarrbezirken oder für die Kitas. Letztere werde inzwischen „in den allermeisten Dekanaten“ nicht mehr von den Seelsorgenden ausgeübt. Dafür hätten sie mehr Zeit, direkt den Kindern zu begegnen und spirituelle Grundlagen zu fördern. 

„Wenn Unterstützungssysteme greifen, etwa auch in Verwaltungsgemeinschaften, kann auch der Pfarrberuf wieder attraktiver werden“, ergänzt die Regionalbischöfin. Seelsorgende sollten „mehr Zeit für Aufgaben haben, für die sie ausgebildet sind“. Gerade in größeren Dekanaten sei dann ein Pfarrer für die Jugendarbeit zuständig, die Kollegin für Senioren. Auch bei Bestattungen muss nicht jeder immer parat stehen: Gisela Bornowski verweist etwa auf ein Beispiel in Bad Kissingen, bei dem jeder Seelsorgende bestimmte Tage in der Woche für die Bestattungen zuständig sei.

Zur Schwerpunktbildung gehört andererseits der Umgang mit Verlustängsten. „Vertraut den neuen Wegen“, das sei eben „leichter gesungen als getan“. Gleichzeitig gilt: Nicht jeder Versuch muss unbedingt gleich umwerfende Wirkungen entfachen. 

Ihre eigene Aufgabe sieht die Bischöfin darin, auch „einen Freispruch zu erteilen: Gemeinden und Seelsorgende dürfen da etwas verändern oder auch mit etwas aufhören“. Die Gemeinden im Blick zu behalten und zu bestärken sowie einen Rahmen für einen guten Austausch zu schaffen, das ist Gisela Bornowski wichtig. Und dies nicht nur bei Jubiläen oder Visitationen, sondern auch im alltäglichen Austausch mit den Dekanen oder bei Ordinationen, zu denen die Seelsorgenden der Umgebung kommen.

„Wir erleben einen riesigen Umbruch der Kirche. Jetzt trifft er uns.“ Aber die Regionalbischöfin ist zuversichtlich. „Die Kirche wird nicht untergehen, sondern sich verändern. Es ist mir wirklich nicht bang.“

Vielleicht kann die Gemeindearbeit der Zukunft „nicht mehr so flächendeckend wirken, aber an vielen Stellen gibt es einen Motor.“ Und diesen kann Bornowski immer wieder entdecken – sicher auch bei Ehrenamtlichen. Denn nicht nur gegenüber den Ängsten in Umbruchsituationen gilt: „Kirche tritt ein für Werte“ – im Einklang mit der Schöpfung Gottes und dem Versöhnungshandeln Jesu. Und: „Da nehmen uns Menschen wahr.“