Lebenslinien: Burgbernheimerin Naomi Kirsten-Hurtig organisiert viele Hilfen für Kenia
Zehn Kilometer lang war ihr Schulweg – einfache Strecke zu Fuß. Doch nicht die Entfernung setzte Naomi Kirsten-Hurtig zu, sondern die Gefahren unterwegs. Denn unterwegs musste die gebürtige Kenianerin zusammen mit weiteren Kindern auf einen schmalen Steg einen reißenden Fluss überqueren. Unten lauerten die Krokodile. Ein Mitschüler verlor das Gleichgewicht …
Das soll keinem Kind mehr passieren. So setzt sich Naomi Kirsten-Hurtig heute von Burgbernheim aus für ihre Heimatregion Tigithi knapp 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Nairobi im kenianischen Busch ein. Dort lebte sie bei ihren Großeltern, um überhaupt Zugang zur Bildung zu bekommen. Denn ihre Mutter arbeitete auf einer Farm.
Im September ehrte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie mit einer Einladung zu einem feierlichen Empfang im Schloss Bellevue. Damit würdigte er ihre unermüdliche Arbeit. Dort begegnete Naomi Kirsten-Hurtig auch dem Präsidenten Kenias – für sie besonders wichtig. Denn sie setzt sich für gute Beziehungen zwischen beiden Ländern ein. Bereits 2022 traf sie beim Augsburger Afrikaforum Melanie Huml, damals bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales. All das helfe ihr, „noch mehr für die Menschen zu tun“.
Welchen Weg war Naomi Kirsten-Hurtig seitdem gegangen? Als Elfjährige musste sie nicht mehr über den Krokodilsfluss balancieren: Sie erhielt ein Stipendium für ein Internat bis zu ihrem High-School-Abschluss. Durch persönliche Verbindungen kam sie kurz nach dem Mauerfall nach Deutschland, wo sie Verbindungen zur Diakonie Augsburg knüpfen konnte.
Die Diakonie Neuendettelsau bildete sie zur Krankenschwester aus. Dort begann sie zu arbeiten, berichtet sie im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Später oganisierte sie nach einer weiteren Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten den Betrieb einer Zahnarztpraxis. Nebenher zog sie drei Kinder groß: Die älteste Tochter ist nun selbst Ärztin, der Sohn als Marketing-Manager bei Thyssen-Krupp und die jüngste Tochter studiert noch. Zusätzlich ließ sich Naomi Kirsten-Hurtig zur Beraterin und kulturellen Vermittlerin ausbilden. Ein Coaching-Studium in London vervollständigt ihre Expertise.
Da ist es kaum zu glauben, was Naomi Kirsten-Hurtig in ihrer alten Heimat in Kenia auf die Beine stellt: In ihrem Heimatort hat sie mehrere Schulen gegründet. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Regierungsstellen vor Ort. Diese müssen die notwendige Infrastruktur vor Ort schaffen, um die Unterstützung durch Kirsten-Hurtigs „Better World Projects“ zu erhalten.
Dort hat sie durch ihre Hilfsprojekte noch gut 10.000 weitere „Kinder“, um deren Schulbildung oder Ausbildung sie sich kümmert. Natürlich nicht allein, viele „stille Helden“ unterstützen ihr Engagement im Hintergrund und spenden regelmäßig. Schon für 80 Euro pro Monat ließe sich die Schule für ein Kind finanzieren. Viele jungen Menschen in Kenia nennen sie nicht nur „Madam Naomi“, sondern „Mama“.
Doch auch damit nicht genug: Naomi Kirsten-Hurtig kümmert sich auch um weitere Hilfsprojekte in Tansania oder Ruanda – ja sogar in Sri Lanka oder Indonesien.
So ganz nebenbei ist Naomi Kirsten-Hurtig seit mehr als 30 Jahren ununterbrochen berufstätig: Bei der AWO im Landkreis Neustadt/Aisch ist sie nun beim ambulanten Pflegedienst tätig. Da kümmert sie sich neun Monate im Jahr hingebungsvoll um die Senioren. Im gesamten Urlaub plus den angesammelten Überstunden fliegt sie sofort nach Kenia – nicht zur Erholung, sondern um die Hilfsprojekte dort voranzutreiben.
„Wenn ich sehe, dass dort etwas nicht passt“, ist dies für sie ein Ansporn, etwas zu verändern. So sah sie vor Ort einmal zwei Mädchen, die Trinkwasser aus einem schmutzigen Tümpel schöpften. Sie brachte sie direkt in einer Schule unter.
Ihre eigenen Kinder stärken ihr besonders den Rücken: „Sie verstehen, wo ich herkomme, und geben mir unendlich viel Energie.“ Gerade die älteste, begleitete die Mutter schon mehrfach nach Kenia.
In Kenia liegt ihr gerade die Ausbildung der Mädchen und Frauen sehr am Herzen: Zwangsheiraten und Beschneidung sieht sie als besonderes Problem – auch in christlichen Familien, zu denen gut 85 Prozent der Bevölkerung gehören.
Oder Mädchen würden früh schwanger – gerade auch während der Corona-Zeit weit verbreitet. In den Jahrzehnten zuvor führte AIDS zu unzähligen Todesfällen. „Gott hat mich da herausgeholt“, meint Naomi Kirsten-Hurtig. „Die meisten aus meiner Generation, die geblieben sind, sind schon tot.“ Die rückläufige Bevölkerungsentwicklung in den 1990-er Jahren ließ sich gerade darauf zurückzuführen.
Während der Dürrezeit oder bei Überschwemmungen gibt es für die jungen Menschen in Kirsten-Hurtigs Schulen und Ausbildungszentren mindestens eine Mahlzeit pro Tag: als Belohnung und um die Eltern zu motivieren, die sie so weniger versorgen zu müssen. Für viele ist sie ein Vorbild – getreu dem Motto: „Ihr könnt es schaffen, denn ich habe es auch geschafft.“
Dabei hat sie in Kenia durchaus mit Problemen zu kämpfen: etwa mit der allgegenwärtigen Korruption dort – nicht mit ihr und ihren Hilfsprojekten, erklärt sie energisch.
Und es gäbe auch gewalttätige Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen, wie sie vor Ort beobachten kann: In Kenia leben Angehörige von 43 anerkannten Völkern mit mindestens 52 Sprachen. Mehrheitlich gehören sie bantusprachigen Volksgruppen an, daneben gibt es Massai und viele andere. Hinzu kommen Hunderttausende Geflüchtete aus den Nachbarländern Somalia, Uganda und dem Südsudan, in denen sich die Krisen vervielfältigen.
Grundsätzlich engagiert sich Naomi Kirsten-Hurtig dafür, dass sich die von ihr ausgebildeten jungen Menschen eine Existenz in Kenia schaffen. Es gibt aber inzwischen durchaus Vermittlungsprogramme zwischen beiden Ländern, durch die junge Kenianer als Fachkräfte gerade in entsprechenden Berufen nach Deutschland kommen können.
Gleichzeitig nimmt Naomi Kirsten-Hurtig auch immer wieder Deutsche mit auf ihre Reisen nach Kenia. Die Gäste müssen keineswegs die Staatsprache Swahili sprechen können, auch nicht fließend Englisch. Sie können dann durchaus an einer Safari teilnehmen, doch stehen Begegnungen und Mitarbeit in den Projekten auf dem Programm.
„Es erfüllt mich“, gesteht Naomi Kirsten-Hurtig dem Sonntagsblatt. Und erklärt mehrmals: „Jesus kämpft für mich.“ Dies nicht nur am Krododilsfluss.
Mehr Infos online unter https://betterworldprojects.org