Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt zur Stärkung in der Passionszeit
Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
Hebräer 12,1–2
Nein, wir sind nicht die Ersten, die Ermutigung brauchen. Die Menschen, an die sich der Hebräerbrief richtet, waren offenbar in einer ähnlichen Lage. Auch sie waren erschöpft. Und sie waren müde geworden im Glauben. Bei uns heute ist es die Corona-Pandemie, die an den Kräften zehrt und an den Nerven. „Corona-Mehltau“, sagt der Soziologe Hartmut Rosa, liege auf der Gesellschaft. Ja, Corona kann müde machen. Und traurig. Auch im Glauben. Genauso wie andere belastende Erfahrungen, die wir im Lauf unseres Lebens immer wieder machen.
Und nun weist uns der Hebräerbrief darauf hin, wo wir neue Kraft schöpfen sollen. Und Hoffnung! Am Beginn der Karwoche werden unsere Blicke auf Jesus gelenkt. Den, der alles für uns gibt in seinem Weg ans Kreuz. Den, der für uns leidet und stirbt. Und der durch seine Auferstehung auch für uns den Weg ins Leben gebahnt hat: „Lasst uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.“
Denn er ist es, der uns zum Glauben ruft. Und er ist es auch, der die Macht hat, uns im Glauben ans Ziel zu bringen. Auf ihn gilt es darum zu schauen. Und den Blick immer wieder wegzuwenden von dem, was uns belastet und herausfordert. Oder auch verstrickt.
Was uns so auf die eine oder andere Weise die Kraft rauben will, mit Geduld und Ausdauer weiterzulaufen auf dem Weg des Glaubens. Weiterzulaufen bis ins Ziel.
Beispiel einer anderen Krise
In einer völlig anderen Krisenzeit, in der Zeit des Nationalsozialismus, hat die Bekennende Kirche erlebt, wie befreiend dieses Aufsehen auf Jesus sein kann. Wenn er im Zentrum unseres Glaubens bleibt. Oder wieder neu zum Zentrum unseres Glaubens wird: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“
So heißt es in der 1. These der Barmer Theologischen Erklärung von 1934. Das hat damals geholfen, die Orientierung nicht zu verlieren im Kampf mit der Weltanschauung der Nazis, von der sich so viele blenden ließen. Das hat geholfen, nicht einfach den Kopf hängen zu lassen gegenüber einem Gegner, der viel mächtiger zu sein schien als der Glaube an einen gekreuzigten Gott. Und dieses Aufsehen auf Jesus hat zugleich den Einzelnen Kraft und Zuversicht gegeben in ihren persönlichen Ängsten und Sorgen.
Lasst uns aufsehen zu Jesus. Das heißt: Wir schöpfen neue Kraft, indem wir in uns aufnehmen, was Jesus für uns ist. Was er für uns getan hat. Das geschieht sehr unscheinbar.
Einfach dadurch, dass wir sein Wort hören oder lesen. Und dieses Wort dann an uns wirken lassen. Die vor uns liegende Karwoche und Ostern sind eine gute Gelegenheit, das neu oder wieder einzuüben.
Und während wir so den Weg von Jesus zum Kreuz mitgehen, können wir zugleich die Augen offen halten für andere, die auch Ermutigung brauchen in diesen Corona-Zeiten. Und auch sie hinweisen auf die Quelle unserer Kraft und unserer Hoffnung: Lasst uns aufsehen zu Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.
Pfarrer Randolf Herrmann, Weihenzell bei Ansbach
Lied 91:
Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken