Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt von Chefredakteur Martin Bek-Baier
Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden‘s mit ihren Augen sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jesaja 52,7–10
Die Wächter veranstalten einen Heidenlärm. Sie rufen und trompeten aus allen Rohren: Der König kommt! Alle jubilieren! Das war ein Bild, das die Menschen im Alten Testament sofort verstanden. Wenn das alles passiert, ist das der großartigste Freudentag, den man sich vorstellen kann. Der lang erwartete König, der Messias gar, kommt zu uns!
Ein alttestamentlicher Text, noch dazu aus ganz alten Zeiten – entstanden um 539 vor Christus – für uns heute als Predigttext zu Weihnachten? Kein Kind in der Krippe, kein Ochs und Esel? Ja, genau! Und auch wir können diesen Jubeltext heute gut an Weihnachten hören – und verstehen. Klar. Heute würden alle Sirenen heulen, auf sämtlichen Radio- und Nachrichtensendungen würde die Botschaft laufen. Die sozialen Netzwerke würden sich überschlagen: Gott selbst ist wieder da!
Nun gut. Man kann auch zweifeln, ob es wirklich so käme. Ob wir vor lauter eigenen Sorgen, den Gedanken um Corona und Lockdown, dem Streit was machbar ist und was verboten, der Angst vor Bevormundung durch den Staat und angeblicher Impfpflicht, überhaupt hinhören würden. Wäre es uns wirklich so wichtig, wie den Menschen damals? Und wenn wir es mitkriegen würden, käme nicht gleich Kritik und der Vorwurf von Fakenews – Unwahrheiten?
Wenn uns die biblischen Geschichten eines lehren, dann dass es bis auf das Ambiente, das Außenherum, so gut wie keine Unterschiede gibt, zwischen den Menschen damals und uns heute. Die Israeliten zu der Zeit waren auch in ihren Sorgen verstrickt. Sie waren deprimiert, weil sie aus der Babylonischen Gefangenschaft in ein zerstörtes Jerusalem kommen sollten. Sie haben vermutlich den überschwänglichen Propheten für einen Spinner gehalten.
Doch das kümmert diesen zweiten Propheten namens Jesaja, nicht. Er verkündet das, was er glaubt, das was er von Gott erhofft und das was Gott ihm zeigt. Das ist genau das, was wir in Advent und an Weihnachten als Christen tun sollten – und auch tun: Die Ankunft Gottes in dieser Welt zu feiern. Und sicher zu sein: Es wird dereinst wieder geschehen. Vielleicht schon heute!