Editorial: Wofür noch dankbar sein?

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Editorial von Susanne Borée, Redakteurin und Chefin vom Dienst beim Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Endlich Regen! Wer am 20. September noch das Strandwetter genoss, konnte sich kaum vorstellen, dass wenige Tage später schon der Herbst seinen stürmischen Einzug hielt. Sich trotz der Wettervorhersagen praktisch darauf einzustellen, war eine ganz andere Seite.

Der Sommer ist spät, aber unwiderruflich zu Ende: Darauf müssen sich auch die Sonnenhungrigen einstellen. Gerade aber Menschen, die noch ihre Ernte ein-
zubringen hatten, hofften in den vergangenen Wochen immer verzweifelter auf ein wenig Nässe. Spät kommt sie, zu spät für manchen Mais, der auch in diesem Jahr nicht zu seiner vollen Höhe emporwuchs.

Auch die Waldbauern hatten in diesem Sommer erneut mit allzu viel Trockenheit, Borkenkäfern und mit dem Februarsturm zu kämpfen. Wie viele Bäume schon geschädigt oder tot sind, das zeigte eine Waldbegehung an den ersten Herbsttagen unweit Rothenburgs. 

Mehr noch, auch den Waldbauern ist die Ernte weg gebrochen. Sie müssen froh sein, wenn sie ihr Holz zu einem halbwegs kostendeckenden Preis verkaufen können. Von einem Gewinn kann da schon längst keine Rede mehr sein, so hieß es. Meist erhielten sie nur noch ein Viertel des Preises, der vor fünf oder sechs Jahren angemessen war. Dass wir das Waldsterben der 1980er Jahre in den Griff bekommen haben, ist längst keine Garantie dafür, dass es diesmal gelingt. Die Herausforderungen sind deutlich komplexer geworden.

Lässt sich da noch Dankbarkeit für die diesjährige Ernte empfinden? Diese Frage stellen sich wohl nicht nur Wald- oder Maisbauern, wenn sie ein Fazit der vergangenen Monate ziehen. Auch vielen Menschen, nicht nur denjenigen, die in Hotels und Restaurants arbeiten, ist die Lebensgrundlage weggebrochen. 

Die einen sind durch die Folgen des Klimawandels geschädigt. Nun forderten weltweite Klimaproteste erneut, ihn endlich auf ein halbwegs verantwortungsvolles Maß zu beschränken: Ein Temperaturanstieg um rund zwei Grad und deutlich weniger Niederschlag ist schon längst Gegenwart. 

Die anderen trafen die Auswirkungen von Corona. Auch diese Krankheit legt viel leichtfertiges menschliches Handeln offen. Noch können wir dankbar sein, dass uns die Krisen nicht schlimmer getroffen haben. Dankbarkeit darüber sollte sich in verantwortungsvollem Handeln auswirken.