Dichter zwischen den Zeiten

1065
Uz-Denkmal im Ansbacher Hofgarten.
Uz-Denkmal im Ansbacher Hofgarten. Foto: Borée

Lebenslinien: Der Ansbacher Johann Peter Uz erblickte vor 300 Jahren das Licht der Welt

Direkt an „seiner“ Straße liegt die Volkshochschule Ansbach. Zufall? Dem Dichter Johann Peter Uz lag die Bildung ganz besonders am Herzen. Vor genau 300 Jahren, am 3. Oktober 1720, erblickte er das Licht der Welt.  

Wie viele andere Denker seiner Epoche beeindruckte auch Uz das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 tief. Warum kann ein allmächtiger und gütiger Gott ein so gewaltiges Unglück wie das Erdbeben von Lissabon zulassen? Warum überdies zu Allerheiligen? Und wieso waren gerade Kirchen dem Beben zum Opfer gefallen, aber das Rotlichtviertel verschont geblieben? Gelehrte wie Voltaire, Kant und Lessing diskutierten diese Fragen. Auch Johann Peter Uz gestaltete seine poetische „Theodicee“ (unten).

Trotz seines weiten Horizontes und der intensiven Vernetzung war die Markgrafenstadt der Mittelpunkt seines Wirkens. Da ist der Dichter für den Literaturwissenschaftler Klaus Wolf typisch für die Epoche. Der Professor lehrt in Augsburg „Deutsche Literatur und Sprache des Mittelalters und der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt Bayern“. Er hat in seiner „Bayerischen Literaturgeschichte“ über Uz geschrieben. 

Die Literatur der Epoche fand noch „an vielen kleinen Residenzen statt“, erklärt Wolf bei einem Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Während der Süden Bayerns eher in die katholischen Länder Italien und Frankreich schaute, blickte die kulturelle Elite Frankens gen Norden.

Auch Uz ging zum Jura-Studium 1739 nach Halle. Schließlich war der Vater, ein Goldschmied und markgräflicher Inspektor in Ansbach, schon früh und vermögend verstorben. 1743 aber weigerte sich seine Mutter die Studien weiter zu bezahlen. So musste er trotz hochfliegender Pläne, etwa nach Berlin zu gehen, nach Ansbach zurückkehren. Jahrelang lebte er dort ohne feste Anstellung, nur mit Lesen und Schreiben. Nach dem Tod der Mutter lebte er mit seiner Schwester Esther Sophia im Elternhaus.  

Damals wie auch zunehmend heute wieder „garantierte der akademische Abschluss keine Stelle“, so Klaus Wolf. Doch musste sich Uz nicht als Hauslehrer verdingen wie viele Zeitgenossen. Er suchte Briefkontakte zu Gelehrten und Dichtern. In diesen Netzwerken bildete er bald einen Mittelpunkt, so Wolf. 

Als Uzens Freunde eine Sammlung seiner Gedichte veröffentlichten, reagierte er empfindlich: Sie seien noch nicht fertig gewesen. Dennoch erscheinen auch Uzens frühe Gedichte formvollendet. Man kann bei ihm Versmaße lernen. Auch unser heutiges Rhythmusempfinden ist offenbar einfacher gestrickt. Alles Überbetonung des Formalen? Selbst die „Theo– dicee“, aber mehr noch viele weitere Gedichte, sind gut gefüllt mit
antiken Anspielungen, Götter- und Musennamen. 

Schon damals zog Gotthold Ephraim Lessing ausdrücklich gegen die klassische Formenstrenge zu Felde, wenn auch gegen die Nachahmung französischer Vorbilder. Er lehnte formale Kunstfertigkeit ab und wollte neue kraftvolle Wege für die Dichtkunst.

„Nie hab ich klagend euch entweiht“, versichert Uz seinen Musen in dem Gedicht „Die fröhliche Dichtkunst“. Scherz, Wein und Zärtlichkeit „Begeistern mich, gefällig, wenn ich dichte.“ In seinen Gedichten findet sich ein „heiterer Grundakkord“ der Rokoko-Zeit. In Nachahmung des antiken Dichters Horaz sollte ein Dichter entweder erfreuen oder nützen, so fasst Klaus Wolf den Anspruch Uzens zusammen. Dies zeigt besonders dessen Abhandlung „Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn“ von 1760. Sicher geschah dies als Antwort auf die eher düstere Stimmung der Barockdichtung. Die Epoche zuvor war noch von den Nachwehen des Dreißigjährigen Krieges geprägt. Tod und Gewalt waren allgegenwärtig. Doch so viel Zufriedenheit und auch Tändelei, wie Uz beschwört, macht selbst unter Rokoko-Schäfchen nachdenklich. Ringt da jemand gegen „Schatten finstrer Buchen“?

Es wäre verständlich gewe-
sen, wenn Lessing auch etwas gegen das Formvollendete bei Uz
gehabt hätte. Das Gegenteil war
der Fall. In Briefwechseln waren sie verbunden. 

Bald schon saß mit heißen Wangen im nahen Schwaben ein junger Internatsschüler namens Friedrich Schiller über Uzens Gedichten. Dies bezeugte der Schwabe später begeistert. Er hatte auch vor, auf die „Theodicee“ poetisch zu antworten. In ihr hallt über den Abgrund der Zeiten hinweg, wie intensiv Uz „die dunklen Flecken“ zum Verschwinden bringen wollte. Der Ansbacher sprengte Ruinen und schuf damit Raum für Größeres, so Wolf. 

Gleichzeitig empfand Uz wohl immer deutlicher, dass der Lauf der Welt seine Dichtungen überholte. Um 1765 scheint er sie eingestellt zu haben. 1768 veröffentlichte er jedoch alle bisherigen Werke. 

Ansbach kam Uz immer mehr „wie eine Wüste“ vor. Wo waren Gleichgesinnte vor Ort? Zumindest erhielt Uz dort ab 1763 eine ordentliche Stelle. Er war nun überregional bekannt. Die Markgrafen konnten nur davon profitieren, ihn zu halten. Bald häuften sich die Würden.

Ende der 1770er Jahre bekam er „auf Landesfürstlichen Befehl“ den Auftrag, das Gesangbuch zu bereinigen. Als Jurist am Schnittpunkt zwischen Landesherrschaft und Kirche. Oder wegen seiner „Theodicee“? In seinen zuletzt veröffentlichten Gedichten dachte er berührend weiter über Gott, über die Religion nach. Er hatte sich nicht umsonst seit seiner Studienzeit in Halle mit dem Pietismus auseinandergesetzt, der den Glauben von allzu starren Formen befreite. Nun brachte es Frucht. „Wir haben einen Gott voll Huld,/ Auch wann er zornig scheint: / Er herrscht mit schonender Geduld, / Der große Menschenfreund!“ Zu diesem Schluss kam er im letzten Vers seines Gedichts über den zornigen „Gott im Ungewitter“. Dies vertonte Franz Schubert. So schuf Uz neue Herzensbildung als Brücke zwischen den Zeiten.

 

Aus der „Theodicee“ von Uz

(…) Die ihr ein Stück vom Ganzen trennet,

Vom Ganzen, das ihr bloß nach euerm Winkel kennet;

Verwegen tadelt ihr, was Weise nicht verstehn.

O könnten wir die Welt im Ganzen übersehn,

Wie würden sich die dunkeln Flecken

Vor unserm Blick in grössern Glanz verstecken!

(…) Mein Schicksal wird nur angefangen,

Hier, wo das Leben mir in Dämmrung aufgegangen:

Mein Geist bereitet sich zu lichtern Tagen vor,

Und murrt nicht wider den, der mich zum Staub erkohr,

Mich aber auch im Staube liebet,

Und höhern Rang nicht weigert, nur verschiebet.

https://www.zeno.org/Literatur/M/Uz,+Johann+Peter/Gedichte, 

Contumax GmbH & Co.KG, dort viele weitere Gedichte