Digitaler Blick hinter Denkmalfassaden

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Am 13. September bietet der „Tag des Offenen Denkmals“ eine digitale Reise durch ganz Deutschland an.
Am 13. September bietet der „Tag des Offenen Denkmals“ eine digitale Reise durch ganz Deutschland an. Foto: Deutsche Stiftung Denkmalschutz

„Tag des Offenen Denkmals“ am 13. September erstmals nur virtuell am Start

Die Glocken der St. Johannis-Kirche schallen über die Laufer Altstadt. Das Vermächtnis der Glockengießer-Werkstatt Hermann Kesslers und seiner Nachfolger sind aber nicht nur dort an der Pegnitz zu hören. Digital können sie nun überall erklingen. Denn zum „Tag des Offenen Denkmals“ haben die „Altstadtfreunde“ vor Ort zusammen mit den „Fränkischen Filmautoren Lauf“ und vielen engagierten Gemeindemitgliedern einen viertelstündigen Film über den St. Johannis-Turm gedreht. Sie stellen seine Geschichte und die Glockengießer-Stifter vor. Auch die Türmer-Wohnung in luftiger Höhe, die bis 1931 bewohnt war, findet sich mit ihrer alten Einrichtung in dem Film wieder.

Susanne Koch-Schächtele, Vertrauensfrau der St. Johannis-Kirche, hat unter anderem diese Aufnahme initiiert. Sie entstand innerhalb weniger Monate. Nur manchmal erinnern Hintergrundgeräusche an die ehrenamtliche Gestaltung. So brauchte Pfarrer Jan-Peter Hanstein den Film quasi nur noch hochladen, mit der Seite der Kirchengemeinde www.lauf-evangelisch.de zu verlinken und dem „Tag des offenen Denkmals“ zur Verfügung zu stellen. Dies berichtet er beeindruckt.

Denn die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD), die den „Tag des offenen Denkmals“ traditionell am zweiten Sonntag im September initiiert, lädt nun am 13. September zu einer „virtuellen Reise durch unsere faszinierende Denkmallandschaft“ ein. Erstmals öffnen sich dann bundesweit die Türen und Tore zahlreicher Denkmale digital. 

Dicht gedrängt in alten Wehrgängen oder Kellern zu stehen oder gar die Laufer Türmerwohnung durch das enge Treppenhaus zu besteigen – das geht zu dem diesjährigen „Tag des Offenen Denkmals“ gar nicht. So entschieden die Organisatoren bereits im April. Keineswegs aber sollte der Tag ausfallen. 

Die Vorteile der digitalen Version gehen aber noch weiter: So lassen sich auch bundesweit viele Einrichtungen besuchen, die ansonsten gar nicht so schnell hintereinander erreichbar wären. Statt viele hundert Kilometer quer durch die Republik sind sie nun nur einen Klick entfernt. 

Schon jetzt lädt die Internetseite zum Stöbern ein. Veranstalter können dort bereits seit Wochen ihre Ideen vorstellen. Genau um Mitternacht des 13. September sollen alle Videoführungen und Fotostrecken über Podcasts bis zu Drohnenaufnahmen auf der Webseite www.tag-des-offenen-denkmals.de freigeschaltet sein. So verspricht es Sarah Wiechers, die die Pressearbeit dort koordiniert und das Team zum Tag des offenen Denkmals bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz leitet. Bis Ende September ist das volle Programm dort abrufbar. Auch danach soll eine Auswahl der digitalen Höhepunkte bestehen bleiben. 

Gefahrlose Besichtigungen

Blicke hinter die Fassaden der Denkmäler von der Ostsee bis in das Allgäu sind erstmals direkt hintereinander möglich. „Menschen engagieren sich im Jahresverlauf tatkräftig für den Erhalt von Denkmalen, als Eigentümer, Architekten und Handwerker, Fachleute oder Förderer. Einmal im Jahr rückt dieses Engagement beim Tag des offenen Denkmals in den Fokus. Das wollen wir trotz der Corona-Pandemie ermöglichen und Handlungssicherheit geben, ganz ohne Gefahr für die Beteiligten. Wir sind fest davon überzeugt, gerade in Krisenzeiten geben uns Kultur und unsere Geschichte halt“, so Steffen Skudelny als Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Auch in Bayern lassen sich viele Denkmäler so entdecken. Die Glocken der Laufer St. Johannis-Kirche sind nur ein Beispiel. Dann lädt der erste Schützling der Stiftung Kultur-erbe Bayern, in der Judengasse 10 in Rothenburg ob der Tauber, zu einem virtuellen Rundgang ein. Wie berichtet, ist dies ein Gebäude mit einer mehr als 600 Jahre währenden, faszinierenden Geschichte. Von der Mikwe tief unten in den Kellergewölben bis hin zum Spitzboden lässt es sich bequem bei dem virtuellen Rundgang von zu Hause aus entdecken – ganz ohne Gefahr, über die unebenen Fußböden zu stolpern oder sich den Kopf auf der niedrigen Treppe anzustoßen. 

Oder es gibt einen virtuellen Rundgang um den Schweinfurter Samtturm mit der „Magd Minna“. Sie erklärt zunächst das Geheimnis des ungewöhnlichen Namens. Und der professionell gemachte Film zeigt spektakuläre Luftaufnahmen, die so bei einer Besichtigung nicht möglich wären. 1561 ließ die Stadt den Befestigungsturm wiedererrichten. Nur der Turmsockel und ein Brunnenschacht hatten die Zerstörung im Zweiten Markgräflerkrieg 1554 überstanden. Über die Jahrhunderte hinweg hatte der Turm nicht nur eine besondere Bedeutung für die Stadtbefestigung, sondern war auch Gefängnis. Als Schweinfurt bayrisch wurde, gelangte der Turm als Gartenhaus in Privatbesitz und beschützte nun die Blumen. Erst 1965/67 kam er wieder zur Stadt. Nach der Sanierung ist der Turm wieder im Rahmen von Führungen zugänglich. Die Besucher können mit „Minna“ über sein letztes Geheimnis rätseln.

Auch der Laufer Johannis-Kirch-turm überragt die mittelalterliche Kernstadt in Lauf. Glocken, schmie-deeisernes Gitter und ausgemalte Turmlaternen erzählen von der kunstvollen Ausgestaltung in der Barockzeit. „Sein“ Film zeigt das Grab des Stifterehepaars Glockengießer in der Ruine der spitaleigenen St.-Leonhards-Kirche und führt bis in die Spitze des Turmes mit Ausblick über das Nürnberger Land. Das volle Geläut der Glocken ist allein schon ein akustisches Denkmal. 

Eine virtuelle Führung durch die Simultan-Schlosskapelle Erlach erlaubt Einblicke hinter ansonsten verschlossenen Türen. Mit 360°-Aufnahmen lässt sich das Raumgefühl erahnen und einzelne Objekte genauer betrachten: ob Altarbild mit einer Mariendarstellung oder das weihnachtliche Deckengemälde.

Weitere bundesweite Denkmaleindrücke zu Schwerpunktthemen wie Handwerk, Technik und Restaurierung, Persönliche Geschichten oder Nachhaltigkeit bieten die sogenannten Erlebniswelten. Passend zum Nachhaltigkeits-Motto „Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken“ äußern sich Experten und Denkmaleigentümer im Blog #nachgefragt zu der Frage, wie Nachhaltig die Denkmalpflege ist. Interaktive Angebote wie ein Töne-Quiz und ein Denkmal-Puzzle sorgen für Spielspaß.

Während 2019 deutschlandweit rund 8.000 Denkmale für Besucher zugänglich waren, rückt in diesem Jahr nun „das Engagement, mit dem die Beteiligten Denkmale digital erlebbar machen“ in den Fokus. So ergänzt Sarah Wiechers das Konzept. Da gibt es am 13. September viel zu entdecken. Susanne Borée