Wohin der Pfingsthauch weht

997
Susanne Borée Editorial in der Frühlingshoffnung

Sonnenkringel flirren auf dem dunklen Samt des Waldsees. Ihr Funkeln zieht Kreise – im Takt meiner Bewegungen. Oder spiegelt es den Atemhauch des Windes, der durch die Weiden streicht?

Wende ich mich um, tauche ich mitten durch die Äste – ohne sie zu spüren. Denn es ist das Spiegelbild der Bäume, die den See im Hintergrund umrahmen. So nutzte ich Himmelfahrt zum Atemholen – nur zwei Fahrradstunden von zu Hause entfernt. Dieser Feiertag lenkte unser Augenmerk nach oben. 

Pfingsten weitet erneut den Blick. Zumindest für diejenigen, die bislang im Zuge der Corona-Krise Angst um ihren Sommerurlaub im Süden haben mussten, besteht Hoffnung.

Nun haben wir in Bayern und Deutschland wenigstens die erste Corona-Welle offenbar ganz gut in den Griff bekommen. Doch bei einer weiteren Perspektive zeigt sich: Der Virus wirkt vielerorts schon vor der Ansteckung tödlich. Wie in einem Brennglas zeigt er lähmende Bindungen und Verhältnisse. Durch das Herunterfahren der Wirtschaft verlieren viele Menschen ohne Absicherung in armen Regionen alle Hoffnung – nicht nur auf die Reisefreiheit.

Es gab jedoch auch Antworten auf Corona, die Mut machten: kleine Gesten und keimende Ideen: Menschen teilten Essen und Zeit miteinander. Wird das alles von der langsam wieder wachsenden Normalität erstickt?

Der Virus lähmt. Er verbreitet Schrecken und viel Leid. Doch gleichzeitig entschleunigt er das Leben. Er schenkt uns Zeit, lenkt den Blick auf weitere Blickwinkel – ohne dass wir selbst in die Ferne schweifen müssen.

So bietet er selbst vielfältige Perspektiven – wie beim Bad im See. Die flirrenden Sonnenstrahlen spiegeln sich dort genauso wie die Schatten des Waldes am anderen Ufer. Das eine ist genauso wenig fassbar wie das andere.

Oder zerrinnt dies wie die Reflexe auf der Oberfläche des Sees – sobald sich der Windhauch erhebt? Vielleicht brennt dieser Hauch nicht nur die Hoffnung auf Reisefreiheit in uns ein. Es wäre gut, wenn wir uns später an die ertragreichen Seiten dieser Zeit erinnern und sie wachsen lassen. Der Wind zieht Kreise und bringt die Oberfläche des Wassers in Bewegung. Wenn es sich abkühlt oder erwärmt, gerät das Gleichgewicht der Schichten in Bewegung: Nährstoffe und Sauerstoff gelangen in die Tiefe.