Behandlung im Schatten der Schirmakazie

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Johann Buchta im Kreise der Massai.
Johann Buchta im Kreise der Massai. Foto: Diakoniemuseum

Kommende Rummelsberger Schau sammelt Erinnerungen und Exponate aus der Mission

„Es war ein ergreifendes Bild, die wilden Gestalten demütig unter das Wort Gottes gebeugt sitzen zu sehen.“ So notierte es Johann Buchta für die Nachwelt. Der oberfränkischen Bauernsohn aus Herrnschrot bei Münchberg und Rummelsberger Diakon (1902–1958) gelangte 1931 ins heutige Tansania. Direkt bei seiner Ankunft im März in der Hafenstadt Momba wohnte er der beschriebenen Taufe bei. Bald schon zog es ihn weiter ins Gebiet der Massai am Kilimandscharo. 

Für die kommende Ausstellung „Ferne Nächste“ ist Thomas Greif der Leiter des Diakoniemuseums in Rummelsberg, derzeit Exponaten und Erinnerungen von Menschen auf der Spur, die von Bayern aus in der Mission unterwegs waren. Für den 24. September ist nach bisherigem Stand die Eröffnung geplant. Der Rahmen, in dem das dann möglich ist, wird sich zeigen. Doch die Ausstellung selbst steht. Trotz Corona „sind wir gut im Zeitplan“, so Greif. Und die ersten kuriosen Stücke sind schon eingetrudelt.

Über das diakonische Wirken von Menschen, die aus Bayern stammen oder mit einer im Freistaat ansässigen Institution unterwegs waren, soll ein großer Erzählbogen in ferne, exotische Länder gespannt werden: Die Lebensläufe außergewöhnlicher Menschen aus kleinen Dörfern sind mit der weiten Welt verknüpft. 

Bereits angekommen ist der Afrika-Reiseführer, den Diakon Johann Buchta 1936 im Land der Massai dabeihatte. Er arbeitete zunächst als Krankenpfleger in Nürnberg. Ab November 1928 war er als Hausvater im Lehrlings- und Kinderheim Hof und als Jugendpfleger und Gemeindediakon in Fürth eingesetzt. 

Im Spätsommer 1929 überzeugte er Rektor Karl Nicol, dass er geeignet sei, nach Afrika zu gehen. Danach bewarb er sich bei der Leipziger Missionsgesellschaft, die in Ostafrika engagiert war. Es gab eigens einen Überlassungsvertrag zwischen Rummelsberg und der Leipziger Mission für ihn. Buchta begann nun 1931 nach seiner Ankunft am Kilimandscharo in einem Gebiet mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von rund 700 Kilometer mit der Krankenpflege. Mit dem Missionar Johannes Hohenberger, wie Buchta ein oberfränkischer Landwirtssohn, bereiste er das Massailand. Sie fuhren für Wochen in die Steppe. 

„Im Schatten einer Schirmakazie“ schlugen die Franken im Nirgendwo der Steppe ihr Zelt auf. Johann Buchta stellte dort seine selbstgezimmerte Arzneikiste auf und wartete auf Patienten. Sie kamen bald in Scharen. Leere Benzinkanister dienten als Behandlungstisch. Oder er sollte kranke Esel oder Rinder kurieren. 

Zu schaffen machte Buchta vor allem die nach seinem Standard völlig unzureichenden Hygienegewohnheiten der Massai – etwa häufiges Ausspucken. Gerade bei der Behandlung von inneren Krankheiten stand der Krankenpfleger lange in Konkurrenz mit örtlichen Zauberern. Bald schon verliehen ihm aber die Eingeborenen selbst diesen Titel. Allein im ersten Jahr dokumentierte Buchta 3.022 Behandlungen. Bald baute er ein kleines Hospital mit 13 mal vier Metern und einer großzügigen Veranda, die als Behandlungsort diente. 

Buchtas Briefe zeugen von christlichem Pflichtbewusstsein und tiefer Menschenliebe, sind aber von der väterlich überlegenen Grundhaltung der Missionare geprägt. Dies verdichtet sich in einem Bericht von 1934: „Wer aber den Neger kennt, weiß, daß auf ihn wenig Verlaß ist, hauptsächlich in Bezug auf genaue Dosierung der Arzneimengen. Das Pflichtbewusstsein, wie es jeder anständige Europäer hat, geht dem Schwarzen vollkommen ab.“ 

1935 erreichte Buchta in dem Hospital die stattliche Zahl von 8.384 Krankenbehandlungen. 1937/38 reiste er endlich zu einem etwa einjährigen Heimaturlaub nach Deutschland und berichtete ausführlich über seine Arbeit. Bei seiner zweiten Ausreise im März 1939 hatte Buchta mehrere Kisten mit gebrauchten medizinischen Instrumenten im Gepäck. 

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges kam Buchta bald in ein englisches Internierungslager. Schon im März 1940 konnte er jedoch nach Deutschland zurückkehren. Er arbeitete zunächst als Erzieher in der Rummelsberger Erziehungsanstalt, wurde dann aber 1943 zum Wehrdienst eingezogen. Nach Kriegsende arbeitete er zwei Jahre als Krankenpfleger in Nürnberg.

1947 heiratete Johann Buchta endlich im Alter von 45 Jahren die Diakonenwitwe Elsa Kamm, geb. Schatz (1910–1984). Sie hatte ihre gesamte Familie im Krieg verloren. Seit 1946 arbeitete sie als Sekretärin von Rektor Karl Nicol in Rummelsberg. Nach der Hochzeit leiteten beide das Altersheim in Burtenbach. 

Unverhofft begann sich 1949 die Möglichkeit für Buchta abzuzeichnen, ein drittes Mal, nun mit seiner Frau, nach Afrika auszureisen: Er war dort noch in bester Erinnerung. Buchtas vormalige Parteizugehörigkeit zur NSDAP verzögerte zwar die Zustimmung der Behörden, verhinderte die Mission aber nicht. Buchta selbst zeigte großes Interesse daran.  

Doch als sich das Ehepaar Buchta im Herbst 1952 einer medizinischen Untersuchung unterzog, wurde bei Buchta ein besorgniserregender Blutdruck entdeckt. Afrika war für ihn damit gestorben. Bereits drei Jahre später musste Buchta vorzeitig seinen Dienst quittieren und starb am 3. 6. 1958. Im Rückblick erscheint er als ein „Mann von wenigen Worten“, aber von großer Haltung. „Er war ein feiner, stiller und ausgeglichener Mensch“, schrieb seine Witwe 13 Jahre nach seinem Tod. 

Natürlich sind die Beschreibungen über das Engagement Buchtas nicht die einzigen Zeugnisse, die Thomas Greif gesammelt hat. Viele kuriose Exponate und ergreifende Zeugnisse hat er bereits gefunden. Mit einem Fußtrittbohrer für Zahnbehandlungen im Gepäck war die Hensoltshöher Diakonisse Kunigunde Brunner in den 1930er Jahren nach China, dann nach Taiwan gereist. Im Diakonissen-Mutterhaus in Gunzenhausen hoben es Angehörige auf. Die Augsburger Diakonisse Hildegard Ellwein ging nach Südindien, wo sie als Missionarstochter geboren war. Doch konnte sie ihre verheißungsvollen Pläne nicht verwirklichen: Sie starb mit 31 Jahren dort innerhalb von fünf Tagen an einer Bauchfellentzündung.

Der Pfarrer Ernst Faber hatte eigentlich nur eine theologische Ausbildung, verschlang auf seiner Schiffsreise nach China mehrere medizinische Fachbücher und behandelte Tausende Chinesen gegen Augenkrankheiten. Diakon Karl Mittermayr wiederum evakuierte 1944 von Belgrad ein ganzes Waisenhaus quer durch halb Mitteleuropa. Und am Ende stehen auch die heutigen weltweiten Verknüpfungen und Hilfen in den Monaten der Corona-Krise.

Thomas Greif/Susanne Borée

Wer spannende Geschichten oder Exponate besitzt, wendet sich an Greif.Thomas@rummelsberger.net.