Einschränkungen fördern innere Sammlung

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Fastenbrechen nach dem Ramadan. Foto: Pixabay
Fastenbrechen nach dem Ramadan. Foto: Pixabay

Muslime begingen Ramadan ohne große Gemeinschaft – und feiern so das Zuckerfest

„Aber  sie haben auch guten Seiten, diese Einschränkungen.“ So schreibt Süleyman Bahn vom Mevlana Verein e.V. in seiner Dankesantwort. Sie ging an den Nürnberger Stadtdekan Jürgen Körnlein und an Thomas Amberg, der als Pfarrer und Islamwissenschaftler das Nürnberger Begegnungszentrum „Die Brücke – Köprü“ leitet. Die evangelischen Vertreter hatten der islamischen Gemeinschaft zu Beginn des Ramadans ihr Mitgefühl versichert. Und sie hatten betont, dass sie auch von christlicher Seite aus die Begegnungen bei der Feier des Fastenbrechens vermissen. Üblicherweise seien sie ansonsten während des Ramadans „alle zwei bis drei Tage“ abends zum Fastenbrechen bei den muslimischen Gemeinden im Nürnberger Raum eingeladen, so Amberg.

Doch nun, zu Corona-Zeiten, musste nach dem Oster- und Passahfest jetzt auch der Ramadan still gefeiert werden. Zwar können inzwischen neben den Kirchen auch andere Gotteshäuser wie Moscheen unter den üblichen Vorsichtsmaßnahmen öffnen. Doch gemeinsames Essen und Gebete dicht an dicht in gut gefüllten Reihen sind natürlich auch dort nicht möglich.

Eine sehr besinnliche Passionszeit hatten die Christen ebenfalls in diesem Frühjahr erlebt. Corona hatte zwei Wochen nach ihrem Beginn den Takt des Lebens bestimmt. So hatten auch Stadtdekan Körnlein und Thomas Amberg in ihrem Gruß geschrieben. „Vielleicht liegt in solchen Erfahrungen für uns alle – als Gläubige gleich welcher Religion – die Chance uns neu zu fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben? Wo können wir Gott spüren, wenn spirituelle Orte wie Kirche oder Moschee wegfallen? Welchen Raum gebe ich Gott in meinem Alltag? Vielleicht zeigt sich Gott mir ganz unerwartet neu … in der neuen Stille meines Alltags … in einem unerwarteten Telefongespräch … in einem Lächeln von Fenster zu Fenster. Unser Gebet und unsere Segenswünsche mögen uns verbunden halten!“

Süleyman Bahn antwortete: „Wir kommen schneller und direkter zur inneren Sammlung.“ Als Vertreter der Mevlana-Gemeinde repräsentiert der die eher mystische Sufi-Bewegung im Islam. Doch seien seine Gedanken besonders nachdenklich, aber auch vergleichbar mit anderen muslimischen Gemeinden, meint Thomas Amberg. Bahn erklärt weiter: „Es gibt keine Ablenkung durch Gäste und Bewirtung. Der wesentliche Sinn des Ramadans zeigt sich schon in der Anfangsphase der Fastenzeit und öffnet schneller und früher unsere inneren Pforten.“

Dabei ist im Islam an sich das gemeinsame Begehen des Ramadans und des Fastenbrechens im erweiterten Familienkreis oder in der Gemeinde fundamental. Hier geben die Älteren Traditionen an die Kinder weiter – vielleicht am ehesten den christlichen Advents- und Weihnachtsbräuchen vergleichbar. 

„Wenn die Moscheen schließen, dann verschließen sich auch die Herzen“, so ein muslimisches Sprichwort. Jetzt erleben Gemeinden genau das Gegenteil – genauso wie auch ihre christliche Nachbarn Isolation als Gebot der Nächstenliebe erfahren. 

Natürlich fragen sich gerade viele ältere Muslime, ob dies ihr letzter Ramadan sei – und dies ohne direkte spirituelle Stärkung.  Lange hofften sie noch darauf, wenigstens das Zuckerfest am Ende, das in diesem Jahr auf den 24. Mai fällt, im Kreis der großen Familie verbringen zu können. Wenige Tage zuvor zeigt sich, dass dies wohl nicht möglich ist.

Süleyman Bahn ergänzte: „So erkennen wir, dass Gott den Menschen durch diese Heimsuchung etwas lernen möchte, was sie sonst nicht verstehen. Und so beten wir nicht so sehr um ein Ende der Krise, als vielmehr um das Verständnis ihrer Bedeutung und die Kraft diese Erkenntnis dann auch entsprechend umzusetzen.“