Ein Diakon, der in keine Schablone passt

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Bruder Fuchs. Foto: Kirch
Bruder Fuchs. Foto: Kirch

Lebenslinien in Gottes Hand: Rainer Fuchs, ein Diakon, der in keine Schablone passt

Er mag sein Motorrad, ist begeistert von Jonny Cash und trägt seinen Glauben auf der Haut zur Schau. Der evangelisiche Gemeindediakon Rainer Fuchs passt in keine Schablone. Doch vielleicht ist es gerade das, was ihn so interessant und glaubhaft macht. Der gebürtige Nürnberger, Jahrgang 1973, war in verschiedenen Positionen der Jugendarbeit und Seelsorge in Langwasser, Fürstenfeldbruck und Giesing tätig, bevor er im vergangenen Herbst zum Studienleiter an der Gemeindeakademie Rummelsberg berufen wurde. Auch dort fällt Reverend Ray Fox, wie ihn seine Motorradfreunde nennen, als „Bunter Hund“ auf. Das Interview führte Raimund Kirch für das Sonntagsblatt.

Sie haben als Gemeindediakon in Langwasser, Fürstenfeldbruck und Giesing viel „gerissen“. Warum werden Sie nun Studienleiter in Rummelsberg?

Ja – zusammen mit Kolleginnen und Kollegen konnten wir vor Ort viel Neues anstoßen und auspro­bieren. Jetzt gehe ich zurück nach Rummelsberg, um die praktische Erfahrung aus 23 Jahren in der Gemeinde, Kinder- und Jugend­arbeit in die beraterische Arbeit, sowie in Supervision und Coaching einfließen zu lassen. Ich bin ein absoluter Praktiker und finde es gut, etwas von dem zurückgeben zu können, was mir in all den Jahren an guten Erfahrungen zu Teil geworden ist.

Womit wieder ein Praktiker vor Ort verloren geht …

In dieser Funktion als Studienleiter sind zunächst für fünf Jahre vorgesehen. Danach wird mich der Herr hoffentlich wissen lassen, wo er mich braucht. Außerdem geschieht das auch in Verantwortung für meine älter werdenden Eltern. Nürnberg war und ist meine Herzensheimat und nach 17 Jahren Oberbayern bin ich gern wieder in Franken.
Das entspricht auch dem Sendungsgedanken meiner Rummelsberger Brüderschaft. Wir als Diakone werden dort eingesetzt, wo wir unsere Fähigkeiten zum Wohle aller am besten einsetzen können. Und in diesen Krisenzeiten ist das Teilen praktischer Erfahrung auch sehr wichtig. Ich kann daran nichts Verwerfliches erkennen, sondern eher Verantwortung.

Ihr Buch handelt vom Tätowieren, von Seelsorge, von der Kunst des Motorradfahrens und von ihrem Glauben. Wie lässt sich das zusammenbringen?

Stimmt – nur würde ich gerne noch die Reihenfolge verändern: in erster Linie geht es um die Weitergabe der Erfahrung, wie sehr uns Gemeinschaft, Familie und Gemeinde dabei helfen, Krisen überstehen zu können. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Das habe ich erfahren dürfen. Das ist mein Leben, als Gottes geliebtes Kind. Das bin ich! Nach dem Lesen hat man hoffentlich eine Idee davon bekommen, wie man Glauben leben, wie man beten, wie alltäglich das alles passieren kann. Und dass man oft auch den zweiten Blick schätzen muss.


Wer mich auf den ersten Blick sieht, hat wegen meines Äußeren viele Ideen von mir, aber sicherlich nimmt man mich nicht sofort als Diakon und gläubigen Christ wahr. Das ist – so glaube ich – auch meine Mission: Menschen zum zweiten Blick aufzufordern und sie dazu zu ermuntern, sich ihr Gegenüber einmal genauer anzuschauen. Einen, der anders ist als zuerst gedacht. Der Nächstenliebe lebt und praktiziert. Der unterwegs ist im Auftrag des Herrn. Es geht darum, Vorurteile zurückzustellen, sich offen auf andere Menschen einzulassen, zuzuhören – wie sehr würde das unserer Gesellschaft guttun.

Ihre „Leinwand“ ist groß, auf Ihren Körper passen viele Motive. Die Lutherrose zum Beispiel oder die Attribute der vier Evangelisten. Ihre Rücken ziert eine Abendmahlsdarstellung. Warum haben Sie nicht den Rat des Künstlers angenommen und Jesus Cola und einen Burger segnen lassen?

Weil es kein Spaß ist, sondern eine tiefe Bedeutung für mich hat. Meine Tätowierungen sind tatsächlich mein Glaubensbekenntnis. Sie sind Meinungs- und Lebensäußerung und zeigen, wer ich bin. Auf meinem Rücken trage ich ein großes Bild von Jesus beim Abendmahl, im Gebet versunken. Jesus wusste zu diesem Zeitpunkt schon, was ihm bevorsteht, er ist den Weg aber trotzdem bis zum Ende gegangen. So spielt es für mich eine große Rolle, dieses Bild auf meinem Körper zu tragen. Es stärkt mir im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken.

Missionare in Übersee hatten keine Skrupel, Maisbrot oder Reiswein zu konsekrieren?

Daran finde ich im Grunde doch nichts Verwerfliches. Man muss mit dem Arbeiten was man hat. In der Jugendarbeit haben wir auch immer wieder kreativ Abendmahl gefeiert. Mit Cola und Burger aber nie. Auch nicht mit Bier und Bratwurst. Ich finde es muss die Würde behalten und die Ernsthaftigkeit, mit der man dieses wunderbare Erinnerungsmahl feiert. Doch erlebe ich durchaus, wie wichtig es den Menschen ist, das mit dem Abendmahl würdevoll umgegangen wird. Dafür stehe ich und habe dies auch bei aller Kreativität meinen Jugendlichen vermittelt.

Ostern steht bevor. Das schwierigste aller Feste. Wie erklären Sie‘s einem Kinde?

Ostern ist ein Fest des Lebens. Es geht auch um den Tod. Ja – ab Ostersonntag aber vor allem um die Freude über die Wiederauferstehung. Es einem Kind zu erklären, halte ich für relativ einfach. Meine Tochter, die jetzt „halb7“ ist, hat wenig Probleme sich vorzustellen, wo der „Liebe Gott“ wohnt und dass da ihre Urgroßeltern auch sind.
Nicht umsonst sagt Jesus in Matthäus 18,3 „Werdet wie die Kinder“. Ansonsten fasst es ja das Glaubensbekenntnis sehr schön zusammen. Es ist unglaublich, wie wenig die Eltern heute über die Feiertage und geschichtlichen Hintergründe des Kirchenjahres wissen und erzählen können. Das ist schade – denn gerade Ostern ist eine Heilsgeschichte!

Kann es sein, dass der Kirche die Sprache abhandengekommen ist, die Botschaft des Festes für Erwachsene rüberzubringen?

Wer je Gründonnerstag mit der Erinnerung ans letzte Abendmahl, den Karfreitag und die Osternacht erlebt hat, wo man vom Dunkel ins Licht der Auferstehung feiert, weiß, wie tief das berührt. Die Fähigkeit, Ostern in diesem Bewusstsein zu feiern – dass Jesus das Licht der Welt und unsere Hoffnung über den Tod hinaus ist – ist uns noch nicht abhandengekommen. Und da gibt es schon wieder ein Tattoo auf meinem Körper. Ein Grabstein, mit der Textzeile aus einem Johnny Cash-Song: „There ain‘t no grave can hold my Body down…“; ins Deutsche übersetzt: „Es gibt kein Grab, das meinen Körper festhalten kann…“. Daran glaube ich und darauf hoffe ich.

Diakon Rainer Fuchs: Gott geht unter die Haut. Glauben aus Leidenschaft. Herder-Verlag 2020, ISBN: 978-3-4513- 87449, 223 Seiten, 20 Euro. Mehr unter https://www.bruderfuchs.de .

Raimund Kirch