Routinen tragen weiter. Gerade jetzt, wo wir auf unsere eigenen vier Wände und unsere eigene Zeiteinteilung zurückgeworfen sind, begleiten uns Rituale. Natürlich ist es jetzt für die Welt draußen völlig egal, wann ich morgens aufstehe, wann ich mich an den Computer setze oder ob ich schon nachmittags den Fernseher anschalte. Aber für mich ist es nicht gleichgültig. Es gibt Zeiten am Tag, an denen ich produktiver bin. Oder an denen sich am besten Organisatorisches klären lässt. Oder an denen es angesagt ist, zur Ruhe zu kommen.
Gerade in den ersten Tagen der Ausgangsbeschränkungen geriet vieles durcheinander. Die eingespielten Strukturen trugen nicht mehr. Dennoch zerrannen die Stunden des Tages wie Sand unter den Fingern. Nachmittags hatte man sich den ganzen Tag wie gehetzt gefühlt, hatte aber viel weniger erledigt als gewohnt, war trotzdem gestresst, und musste noch so viel machen …
Oder es galt, die große Leere in den Griff zu bekommen. Da helfen genauso feste Zeiten und Gewohnheiten, die den Tag strukturieren: beim Aufstehen einige Minuten den Vögeln zuhören. Nachdem jetzt das Menschenwerk viel ruhiger geworden ist, gelangt ihr Gesang noch einmal viel intensiver in unser Bewusstsein. Die Frühlingssonne meinte es schon so gut mit uns! Dann ertönen vielerorts Glocken zu bestimmten Zeiten. Die Gedanken so vieler Menschen verbinden sich miteinander und mit Gott. Das brachte sogar die Zeitumstellung wieder in den Tritt.
Diese Rituale vermitteln auf ganz neue Weise Halt und Orientierung. Wir sind in größere Zusammenhänge zurückgebunden, die selbst in diesen Krisenzeiten gelten und nicht mehr neu ausgehandelt werden müssen. Nein, wir können auf Vertrautes inmitten der Unsicherheiten zurückgreifen.
So hat auch diese Krise ihre Zeit und weitet die Horizonte aus der Enge heraus. Das geschieht gerade auch in dieser Karwoche, in der wir uns in Gedanken auf den Weg der Passion machen.
Und den 75. Jahrestag der Ermordung Dietrich Bonhoeffers bedenken. Nun können wir wieder neu die Bonhoeffer-Verse hören: „Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen. / Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht. / Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, / so lass uns hören jenen vollen Klang / der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, / all deiner Kinder hohen Lobgesang.“