Offene Kirchen und Videogottesdienste

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Beim Glockenläuten zuhause mitbeten und eine Kerze ins Fenster stellen – dazu laden zahlreiche Kirchengemeinden zurzeit ein. Foto: epd/F

Wie reagieren evangelische Kirchengemeinden auf die Corona-Krise? – Drei Beispiele

Die Corona-Pandemie führt zu zahlreichen Einschränkungen im Alltag und fordert an vielen Stellen ein Umdenken. Das gilt nicht zuletzt für die Kirchen. Die bayerische Landeskirche hat zahlreiche Empfehlungen an die Gemeinden herausgegeben. Wie aber reagieren Kirchengemeinden vor Ort auf diese Herausforderung? Das Sonntagsblatt hat stichprobenartig Pfarrer in Bayern befragt.

Bayreuth/Fürth-Poppenreuth/Sauerlach. „Wir haben jeden Tag eine Gebetsgemeinschaft um 18.45 Uhr. Jeder für sich alleine, aber wir denken aneinander“, berichtet Pfarrerin Susanne Memminger aus Leineck bei Bayreuth. Manche Gemeinde würde es um 12 Uhr und um 18 Uhr machen, wenn die Glocken läuten. Aber in ihrer Gemeinde läuten um 19 Uhr die Glocken. So bete man und komme zur Ruhe, bevor die Nachrichten beginnen.

Am Sonntag vor dem Beschluss der Landeskirche, dass Gottesdienste auszusetzen sind, waren viele Menschen noch im Gottesdienst. „Da war mir schon ein bisschen mulmig. Ich habe zwar gesagt, sie sollen sich möglichst weit auseinandersetzen. Aber wir haben ja nicht eine so große Kirche.“ Die Kirche, die vor fünfzig Jahren als Behelfsbau errichtet wurde, ist auch der Grund für Memmingers Dienst hier. Ich bin erst seit drei Monaten in Leineck. Die Epiphaniaskirche ist die kleinste Gemeinde in Bayreuth mit etwa 1.200 Gemeindegliedern. Ich habe mich hierher beworben, weil ich gerne mit der Gemeinde ein neues Kirchengebäude bauen und das auch mit Leben füllen möchte. Wir wollten gerade beginnen, aber jetzt kam das Virus.

Es war jetzt die Bibelwoche in der Gemeinde geplant. „Die Kirche, die 250 Sitzplätze hat, ist da immer proppenvoll, denn die Leute kommen von überall her und möchten Pfarrer Heinz Bogner hören. Wir haben es diesmal per Lifestream übertragen.“
Auch in Fürth-Poppenreuth ist alles zum Erliegen gekommen, inklusive Konfirmation und Osternacht, berichtet Pfarrer René Hager. Über die Einstellung der ökumenischen Gottesdienste in Fürth-Sack ist er besonders traurig. Das katholische Zentrum dort wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. „Deswegen fanden aus diesem Anlass zwei ökumenische Gottesdienste im Monat statt.“

Gottesdienste auf CD

„Wir haben unsere Gemeindeglieder über Gemeindebrief und das Internet informiert, was zur Zeit nicht stattfinden kann“, sagt der Pfarrer. „Es gibt aber die Idee auf der Webseite eine Lesepredigt zu hinterlegen für unsere Gemeinde. Da aber viele ältere Menschen keinen Zugang zum Internet haben, haben wir überlegt, die Gottesdienste auf CD zu brennen und den Interessierten Gemeindegliedern zuzuschicken.“ Zu Ostern soll es eventuell eine Andacht auf Video geben, so dass es für die Gemeinde einen eigenen Online-Gottesdienst gibt, den man im Netz anschauen oder sich per CD zuschicken lassen kann.

„Geburtstagsbesuche finden halt über das Telefon statt.“ Die Kirche war schon immer täglich geöffnet und wird es nun auch bleiben, so Hager. „Neu ist, dass die Türe ganz geöffnet ist, so dass man die Klinke nicht anfassen muss.“ Es liegt ein aufgeschlagenes Andachtsbuch aus, dazu ein Gesangbuch und ein Bibellesebuch mit ausgewählten Texten zu jedem Tag. Das ist aufgeschlagen, so dass man es nicht anfassen muss.
„Wir haben auch Einkaufsdienste organisiert. Helfer und die Menschen, die Bedarf haben, rufen im Pfarramt an und wir koordinieren das dann.“ Die Pfarrer sind ansonsten anrufbar und präsent, merkt Hager an. „Bisher rufen aber nicht mehr Menschen an, als sonst.“

Die Beerdigungen werden nur am Grab stattfinden. Für manche Landgemeinden sei das nichts Neues, aber in der Stadt muss das nun angepasst werden. Es dürfe auch nur eine bestimmte Anzahl an Trauernden teilnehmen. Normalerweise werden Beerdigungen am darauf­folgenden Sonntag in der Kirche abgekündigt, so Hager. Es gibt Überlegungen, dass alle Verstorbenen aus Fürth in einem Gedenkgottesdienst, in St. Johannis gesammelt, abgekündigt werden, wenn die Kirchen wieder geöffnet sein werden.

Ansonsten käme man auf alte Traditionen zurück. Wenn die Kirchenglocken morgens, mittags und abends läuten, ruft man zum gemeinsamen Gebet auf. Die Glocken waren früher das Zeichen für das stille Gebet und das will man wieder ins Bewusstsein bringen. „Diese Krisenzeit zeigt uns, dass solche altbewährten Sitten ihren guten Sinn haben.“

Kommunikation ist wichtig

„Es ist viel Arbeit die Umstellungen, die wir jetzt haben, zu kommunizieren – das habe ich unterschätzt“, sagt Pfarrer Peer Mickeluhn aus Sauerlach bei München. „Ganz wichtig ist, klar zu kommunizieren, wie wir erreichbar sind.“ Er kommt gerade von der Pinnwand vor der Kirche, an der er Plakate mit Hinweisen angebracht hat. „Es ist nochmal wichtiger jetzt die gängigen Wege der Erreichbarkeit ins Bewusstsein zu bringen“, sagt er. „Wir haben zwar keinen Publikumsverkehr im Pfarramt, aber per Telefon, Fax und Mail sind wir natürlich erreichbar.“ Auch über die Webseite der Gemeinde und die sozialen Medien sei das so.

„Allerdings habe er die Erfahrung gemacht, dass – zur Zeit des Gesprächs mit dem Sonntagsblatt – kein vermehrter Bedarf an Seelsorge wegen der Viruskrise herrsche. „Ich erlebe nicht, dass die Menschen mehr Angst haben, sondern dass sie relativ gelassen und verständnisvoll auf die Situation reagieren.“

Eine Ausnahme beobachte er aus den benachbarten Tourismusgebieten, wie dem Tegernsee. „Viele Menschen nutzten die vermeintliche Freizeit, um sich in diesen Gebieten zusammenzurotten.“ Es gäbe einen Prozentsatz der Bevölkerung, der die Maßnahmen nicht einsehen würde und ihren eigenen Vorteil suchen (Stand Redaktionsschluss). „Das ist natürlich genau nicht zielführend in der Bekämpfung des Virus.“ Aber diese Menschen, glaubt Mickeluhn, könne man vermutlich kirchlicherseits sowieso nicht erreichen.

Kirche regelmäßig geöffnet

Die Kirchen sind auch (Stand bei Redaktionsschluss) in Oberbayern sehr viel regelmäßiger geöffnet, als es sonst üblich war. Mickeluhn berichtet von einer Idee einer Müncher Gemeinde, die auf einer Wäscheleine Mediationsangebote zum Mitnehmen im Kirchenraum aushängt. Nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land kämen Menschen an der Kirche vorbei und würden die offene Türe sowie ein einladendes Plakat wahrnehmen. Es gab auch schon eine positive Rückmeldung, jemand habe ihm ein Kärtchen geschrieben und sich für die offene Kirche bedankt.