Von Editha zu Ernst … und darüber hinaus

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Der Magdeburger Reiter, um 1240/50, im Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Er soll Kaiser Otto den Großen als Wahrer des Rechts darstellen. Grab Edithas, Ottos erster Ehefrau im Ottonianum: Originaler Sarg und Reproduktion der Grabplatte von 1510. Fotos: PR Kulturhistorisches Museum/Borée
Der Magdeburger Reiter, um 1240/50, im Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Er soll Kaiser Otto den Großen als Wahrer des Rechts darstellen. Grab Edithas, Ottos erster Ehefrau im Ottonianum: Originaler Sarg und Reproduktion der Grabplatte von 1510. Fotos: PR Kulturhistorisches Museum/Borée

Rundgänge durch die Magdeburger Geschichte zeigen höhere Begründung des Rechts

Es ist nur ein schlichter Bleisarg – und dennoch einer der größten Schätze des Magdeburger Ottonianums. Hier lagen einst die sterblichen Überreste Edithas (910–946), der ersten Ehefrau Ottos des Großen begraben. Direkt neben dem Magdeburger Dom erhebt sich das neu errichtete Ottonianum. Die Landeshauptstadt brachte mehr als drei Millionen Euro für die prächtige und didaktisch klug eingerichtete Kulturinstitution auf. Hinzu kamen viele weitere Stiftungsmittel.

Die prächtige Platte ihres Hochgrabes von 1510 beinhaltete tatsächlich noch die Überreste der Königin und den schlichten ursprünglichen Sarg (Foto rechts). Der damalige Erzbischof Ernst von Sachsen hatte Editha zu ihrem 600. Geburtstag die runderneuerte und ungleich prächtigere Grablege geschenkt.

Ferner zeigt das Ottonianum noch Fragmente der kostbaren Seidenstoffe, in die sie einst gehüllt war. Und die Ausstellung beschreibt, welches Ungeziefer dort mit eingeschlossen war und in der Grablege zunächst prächtig gedieh. Mit Lichtprojektionen scheinen die Käfer direkt auf die Besucher zuzugehen.

Auch wenn diese Projektion besonders eindrücklich erscheint: Das Wesentliche ist in Magdeburg das Verhältnis von Macht, Religion und Recht. Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt ein Reiterstandbild mit zwei weiteren Figuren. Der „Magdeburger Reiter“ (Foto links) soll Edithas Gemahl, Kaiser Otto den Großen (912–973) darstellen: als Garant des Städtischen Rechts.

Seit der Gründung der Stadt durch Kaiser Otto den Großen war Magdeburg ein wichtiger Vorposten an der damaligen Grenze des Reiches: Denn rechts der Elbe begann das Land der Slawen. Auch nach ihrer Eroberung und der Ausdehnung des Reichsgebietes ging diese Bedeutung nicht zurück.

Kurz vor der Errichtung dieses Reiterstandbildes hatte Erzbischof Wichmann von Seeburg-Gleiß, ein enger Berater Friedrich Barbarossas, im Jahr 1188 den Kaufleuten in Magdeburg weitgehende Privilegien verliehen. Otto sollte wohl als Schutzherr dienen.

Das Besondere: Die Stadtverfassung, die sich aus dieser „Geburtsurkunde“ entwickelte, wurde zum Vorbild für tausend weitere Städte bis nach Krakau und Kiew. Denn sie verteilte ausgewogen die Macht auf den Stadtherrn, dem von ihn eingesetzten Vogt, die Bürgergemeinde mit ihren gewählten Ratsmitgliedern sowie das Schöffenkollegium. Sie ermöglichte genug Freiraum für Handwerk und Handel, doch musste ein Stadtherr seinen Ort nicht gänzlich aufgeben.

Diese Ausgestaltung gewann vor allem durch Tausende von Schöffensprüchen ihre Gestalt. Bei Streitfragen und schwierigen Urteilen gingen sie direkt an die Tochterstädte, die sich dem Recht unterworfen hatten. Dort mussten sie dann nur noch verkündet werden – und sind bis heute überliefert. In Magdeburg selbst hingegen wurden die „Schöffenbank“ und wertvolle Dokumente im Dreißigjährigen Krieg zerstört, als Tilly die Stadt 1631 dem Erdboden gleichmachte.

Direkt greifen sie auf den „Sachsenspiegel“ zurück, den Eike von Repgow vor 1250 schriftlich fixiert hatte. Etwa 500 vollständige oder zumindest fragmentarische Exemplare dieser Rechtssammlung sind zwischen Dresden, Oldenburg und Heidelberg erhalten.

Dieser Vorbildfunktion Magdeburgs als Stadt sprengt natürlich die Ausstellung der Grabungsfunde im Ottonianum. Nur wenige Meter entfernt hat das Kulturhistorische Museum Magdeburg ihr noch bis Anfang Februar eine eigene Schau gewidmet. Sie zeigt neben dem Magdeburger Reiter Exemplare des Sachsenspiegels oder prachtvolle Schwurkästchen.

Das Recht ist vom Himmel begründet, wie ein Bild aus dem Würzburger „Museum am Dom“ zur Allegorie „Himmlisches und irdisches Recht“ von 1430 betont. Es stammt ursprünglich aus Böhmen. Ein Dämon will einen Richter beeinflussen, doch der wendet sich Gott zu und gewinnt dadurch sein Seelenheil.

Machtvolle Inszenierung

Und damit sind wir schon beinahe wieder bei der Epoche des Erzbischofs Ernst von Sachsen. Als jüngerer Bruder des Luther-Beschützers Friedrich des Weisen führte Ernst das Erzbistum Magdeburg zu neuer Pracht. Bereits mit zwölf Jahren wurde er 1476 zum Erzbischof ernannt.

Aber erst 13 Jahre später nahm er seine Amtsgeschäfte auf. Er baute erneut am Dom, der erst ein gutes Jahrhundert zuvor vollendet worden war. Natürlich vergaß Ernst sich auch selbst nicht. Schon in jungen Jahren reservierte er sich selbst einen Platz in direkter Sichtachse zu dem Kaiserpaar im Mittelbau direkt zwischen den Westtürmen. Sein Relief am Hochgrab bestellte Ernst in der weit bekannten Nürnberger Werkstatt Peter Vischers.

Luthers Gegenspieler, Kardinal Albrecht, folgte ihm 1513 nach. Er stammte von den Brandenburger Kurfürsten ab, war außerdem, auch Erzbischof von Mainz und krönte endlich die Giebel des Doms schließlich mit prachtvollen Figuren.

Das Ottonianum zeigt nicht nur viele Prunkstücke, sondern bietet auch eine Wegweisung zu den he­rausragenden Schätzen im Dom. So ergänzt es die Geschichte des Ortes ebenso wie die Ausstellung zur „Faszination Stadt“. Alle drei Orte bieten weit mehr als bloße Lokalgeschichte und weisen auf grundlegende historische, kulturelle und religionsgeschichtliche Verbindungslinien hin.

Dommuseum Ottonianum Magdeburg, Domplatz 15, täglich geöffnet, 10 bis 17 Uhr. Mehr Infos unter Tel.: 0391/5403530 oder www.dommuseum-ottonianum.de, Eintritt 7,50 Euro.

Ausstellung „Faszination Stadt“ noch bis 2. Februar im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, Otto-von-Guericke-Straße 68–73, täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr, Eintritt regulär 15 Euro. Weitere „Korrespondenzorte“ wie Stendal stellen gleichzeitig eigene Zeugnisse aus oder öffnen ihre Rathäuser. Mehr Infos unter Tel.: 0391/5403588 oder online unter www.faszination-stadt2019.de