Andacht: Bin ich sein liebes Kind?

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

aus Matthäus 3, 13–17

Bei jeder Taufe stocke ich an einer Stelle. Ich beginne die Taufgottesdienste in der Baiersdorfer Kirche mit dem Blick auf die Emporenbilder, die Gottes Geschichte mit seinen Menschen erzählen. Wir stehen direkt unter dem Taufbild: Jesus in der Mitte der Fluten, der Täufer am Ufer, der Himmel geöffnet, eine Taube im Flug. In wenigen Worten fasse ich die Geschichte von Jesu Taufe zusammen und ende mit dem Zitat: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Kann ich das so auch von dem Täufling sagen, frage ich mich. Es liegt so nahe fortzufahren: Heute, jetzt in der Taufe sagt Gott das zu Euerm Kind. „Das ist mein liebes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Ist das so, oder bevormunde ich Gott in diesem Augenblick, verkündige ich vollmundig, woran man vielleicht doch Zweifel hegen kann? Natürlich nicht im Blick auf den Winzling, der auf dem Arm von Mama oder Papa unschuldig aus der Wäsche schaut, wenn er oder sie überhaupt die Äuglein öffnet. Wer hätte nicht Wohlgefallen an so einem Kindchen? Aber es bleibt ja nicht dabei. Vielleicht wird es mal ein Schurke oder eine Zicke? Was galt dann das Taufwort von Gottes Wohlgefallen? War es in den Wind gesprochen, bedeutungslos und wirkungslos? Ist nicht Jesus, der Sohn Gottes der Einzige, von dem die Himmelsstimme wirklich mit Wohlgefallen sprechen kann?

Für alle anderen ist Gottes Wohlgefallen doch bedingt und bestenfalls punktuell. Dann, wenn wir von Gottes Geist ergriffen sind. So sagt es Paulus: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Die andern, die von anderen Geistern getrieben sind, die müssen in die Wüste, von Johannes dem Täufer recht grob als „Otterngezücht“ bezeichnet.

Da stehen sie, da stehen wir nun, hoffen auf Wasser, das uns reinigt und uns Leben einflößt. Neben uns oder vor oder hinter uns einer, der sich äußerlich nicht abhebt von den andern, genauso durstig, genauso sehnsüchtig. Mit einem Unterschied: Er hätte sich nicht einreihen müssen. Als er vorne ankommt, beim Täufer, weicht der mit Recht zurück: Dir die Schuhe zu tragen, käme mir zu, nicht dich zu taufen.

Warum tut Jesus, was er nicht tun müsste, und stellt sich neben die Zicke und den Schurken? Warum stellt er sich mitten unter uns, macht das mit, was unser Leben ausmacht, was es froh macht und schwermacht? Er stirbt sogar unsern Tod, mit nicht mehr im Gepäck als der blanken Hoffnung, dass Gottes Gerechtigkeit siegt und sein Reich kommt.

Wenn es eine Erklärung gibt, dann muss es mit dem Wohlgefallen zu tun haben. Aus tiefer Verbundenheit, aus Liebe reiht er sich ein. Die bleibt nicht auf Abstand und die sortiert nicht danach, welche Geister uns antreiben, auf welche Spur wir geraten sind. Gott hat kein Gefallen am Tod des Ungerechten, sondern will, dass er umkehrt und lebt und zwar in Frieden. So haben es die Engel gerade zu Weihnachten gesungen: Frieden! Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Dass Gottes Wohlgefallen auf uns ruht, so uneingeschränkt, so voll und satt wie auf seinem Sohn, seinem eingeborenen, das ist trotzdem unglaublich. So ganz ohne Stocken werde ich es wohl auch künftig nicht aussprechen, wenn ein kleiner Erdenbürger zur Taufe gebracht wird. Aber ich hoffe, es kommt trotzdem an.

Pfarrerin Christine Jahn, Baiersdorf