„Ein offenes Ohr an der Truppe“

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Diese Glocke stand ursprünglich in Afghanistan. Nun läutet sie für die Soldatinnen und Soldaten in Jordanien. Foto: Privat
Diese Glocke stand ursprünglich in Afghanistan. Nun läutet sie für die Soldatinnen und Soldaten in Jordanien. Foto: Privat

 

 

Militärseelsorge: An der Seite der Soldatinnen und Soldaten im In- und Ausland

 

In der Serie „Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung“ stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

=> Zum letzten Teil

Diese Glocke habe ich schon in Afghanistan läuten dürfen. Und jetzt finde ich es super, diesen Glockenturm hier in Jordanien mit aufgebaut zu haben und die Glocke aus Afghanistan hier wieder zu hören. Für mich symbolisiert sie ein Stück Heimat!“, so ein Soldat. Es ist Ende Januar 2022. „Als im Gottesdienst die Glocke das erste Mal erklang, hielten wir alle lange inne. Es war ganz still! Was für ein berührender Moment!“, berichtet Militärpfarrer Andreas Rominger, der nun aus dem Auslandseinsatz in Jordanien zurück ist.

Ob im Einsatz mit seinen vielen Bedrohungslagen und der Trennung von zuhause, oder auch in der Heimat: Solche stillen Momente des Berührtseins sind sehr wertvoll im soldatischen Dienstalltag, da sie alle miteinander verbinden und stärken. Bereit zu sein, mit den Soldatinnen und Soldaten in die Krisengebiete dieser Welt und damit in Bedrohungssituationen zu gehen und zugleich mit dem Evangelium Jesu Christi für alle da zu sein ist grundlegend für den Dienst der Militärgeistlichen. Dabei ist ein „offenes Ohr an der Truppe“ ebenso wichtig, wie erfindungsreich und spontan aus allem das Bestmögliche zu machen.

Im Jargon der Bundeswehr heißt das „Leben in der Lage“. „Es kommt vor, dass sich eine Soldatin mitten im Einsatz taufen lassen möchte oder traurige Nachrichten aus der Heimat gemeinsam auszuhalten sind“, berichtet Militärdekan Nagel. „Nah dran an den Soldaten und ihren Themen zu bleiben ist entscheidend.“ So erzählt eine Soldatin: „Im Einsatz gehört der Gottesdienst dazu. Das hilft gegen ,alle Tage Mittwoch´: Da kann ich einmal zu mir kommen, etwas anderes hören, mit anderen Leuten quatschen. Beim Tischtennisturnier, das die Pfarrerin organisiert hat, kamen wir ins Gespräch. Echt gut, dass es die Militärseelsorge gibt!“

Auf der Basis des Militärseelsorgevertrages von 1957 leistet die Evangelische Militärseelsorge ihren Beitrag dazu, dass Soldaten von ihrem Recht auf Religionsausübung und Seelsorge Gebrauch machen können. Die deutschlandweit 104 Militärpfarrämter sind jeweils besetzt durch einen Militärgeistlichen und einen Pfarrhelfer. „Unsere Mission“, so Nagel, „sind die Soldaten selbst.“ Es gehört zur freiwilligen Entscheidung eines Soldaten, ob er etwas, das anliegt, seelsorglich begleiten lassen, bei einer Rüstzeit mit anderen teilen, im Gottesdienst vor Gott bringen oder sich darüber mit anderen im Lebenskundlichen Unterricht austauschen will.

Für alle ihre Anliegen haben die Soldaten aller Dienstgradgruppen mit den Militärgeistlichen eine vertrauliche Ansprechperson mitten im Dienstbetrieb. „Selbstverständlich gilt das Seelsorgegeheimnis“, so Nagel. „Militärgeistliche sind keine Soldaten und stehen außerhalb der militärischen Hierarchie. Diese Kombination aus Unabhängigkeit und Verständnis hilft, dass alle Bundeswehrangehörigen bei Problemen Unterstützung erhalten können.“    

Rüstzeiten zum Auftanken

„Die Motorradrüstzeit nach Méjannes-Le-Clap zum Internationalen Soldatentreffen ist ein Highlight“, so Militärpfarrerin Sandra Mehrl. „Eine Tour, die zusammenschweißt und auch viele Gelegenheiten bietet, in Andachten und Gesprächen zu merken: Der Glaube verbindet uns! Das kommt im Alltag oft zu kurz.“

Abstand vom Alltag, sich einem Rüstzeitthema widmen, Kraft tanken durch Gottesdienste und Freizeitgestaltung sind Grundprogramm, ob auf Familien-, Paare-, Pilger- oder Kompanierüstzeiten, ob in der Nähe, in Berlin oder Frankreich. „Ich komme immer buchstäblich ‚gerüstet‘ in meinen Alltag zurück“, so ein Soldat.  

Gottesdienste sind zentraler Bestandteil der Evangelischen Militärseelsorge: Am Standort, im Rahmen von Appellen, als Feldgottesdienste unterm Birkenkreuz bei der übenden Truppe, aber auch als „online“- Format, wie die sonntägliche Minutenandacht des Militärbischofs Dr. Bernhard Felmberg auf Instagram/facebook. „Allen Soldatinnen und Soldaten“, so Nagel, „steht es frei, zu unseren Gottesdiensten zu kommen. Und wer kommt, lässt oft seinen Dienstgrad und seine Aufgaben für einen Moment hinter sich.“

Lebenskundlicher Unterricht

„Tod und Verwundung“ oder „Verantwortung, Gewissen, Freiheit“ sind gängige Themen im Lebenskundlichen Unterricht (Leku). Für alle Soldaten verpflichtend und von den Militärgeistlichen durchgeführt, lebt er von engagierter Mitarbeit und der Möglichkeit zur freien Aussprache. Dabei haben Soldaten die Gelegenheit, in Seminarform und offenen Diskussionsrunden ethisch- moralische Fragen abzuwägen und sich darin zu üben, verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können. „Im Leku bekommen wir viele Impulse, da können die Meinungen schon mal an einander geraten, dann wird debattiert, aber gerade darum geht es ja. Ich nehme da für mich immer viel mit.“, so eine Soldatin.  

„Wir sind des Herrn“

Die Losung „Wir sind des Herrn“ begleitet alles militärseelsorgliche Handeln. Als Kirche unter den Soldaten steht die Evangelische Militärseelsorge ein für ihre friedensethische Ausrichtung: Die Soldaten auf ihren Friedensmissionen begleiten, sich für den Frieden einsetzen, den Frieden ins Gespräch bringen, berührt werden vom Frieden – gerade in diesen Zeiten!

„Dass die Glocke jetzt wieder den Soldaten in Jordanien erklingt“, so Nagel, „berührt mich sehr, habe ich sie selber schon geläutet. Ja! Sie steht für Heimat! Für den Frieden Gottes! Für Ostern! Domini sumus!“    

Kontakt: Evangelisches Militärpfarramt München, Militärdekan Gunther Nagel, Ernst-von-Bergmann- Kaserne, Neuherbergstraße 11, 80937 München, GuntherNagel@bundeswehr.org

Weiterführende Informationen: 

https://handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php