Des Kaisers letzte Bilder

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Der Magdeburger Reiter, wohl Kaiser Otto der Große, im Kulturhistorischen Museum, um 1240 (links). Foto: © Kulturhistorisches Museum Magdeburg, Foto: Dirk Mahler. Alfred Rethel: Die Versöhnung Kaiser Ottos des Großen mit seinem Bruder Heinrich, 1840. Foto: © Historisches Museum Frankfurt, Foto: Horst Ziegenfusz.
Der Magdeburger Reiter, wohl Kaiser Otto der Große, im Kulturhistorischen Museum, um 1240 (links). Foto: © Kulturhistorisches Museum Magdeburg, Foto: Dirk Mahler. Alfred Rethel: Die Versöhnung Kaiser Ottos des Großen mit seinem Bruder Heinrich, 1840. Foto: © Historisches Museum Frankfurt, Foto: Horst Ziegenfusz.

Ausstellungen zum Nachleben des vor 1.050 Jahren verstorbenen Ottos des Großen 

„Du sollst dir kein Bildnis machen“ – gut gemeint, aber undurchführbar? Gerade, wenn es um unsere Vorstellungen von Geschichte geht: Was ist überlieferungswert? Welche Vorstellungen formen unser historisches Bewusstsein?

Es ist wieder Otto-Zeit.  Otto der Große, der berühmteste der Kaiser seiner Dynastie starb vor 1.050 Jahren, also 973. Noch mit Anfang 60 war der Kaiser mit seinem Gefolge ständig unterwegs. Schließlich musste er an so vielen Orten wie möglich präsent sein. 

Auf der Rückreise nach einem sechsjährigen Aufenthalt in Italien weilte er am Palmsonntag 973 in Magdeburg. Dort verkündete er noch einmal offiziell die Gründung des Erzbistums, die er bereits fünf Jahre zuvor vom Papst erwirkt hatte. 

Ostern war er in Quedlinburg. Christi Himmelfahrt weilte der Kaiser in Merseburg. Weiter ging es in die Pfalz Memleben – wo er am 7. Mai 973 unerwartet starb. Im Magdeburger Dom wurde er dann zur letzten Ruhe gebettet – neben seiner ersten Ehefrau, der angelsächsischen Prinzessin Editha.

Viele Museen und Ausstellungsorte in der ganzen Region stehen gerade gänzlich im Zeichen dieses Herrschers. Der Erinnerungskultur besonders verpflichtet ist eine Sonderschau im Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Dort läuft die Ausstellung „Kaiser Otto in der Erinnerung späterer Zeiten – Welche Taten werden Bilder?“ Sie widmet sich dem Nachleben des Kaisers im Lauf der Zeiten. Sie ist thematisch geordnet und zeigt, wie wichtige Ereignisse Ottos in Szene gesetzt wurden – oder was davon der Nachwelt überliefert bleiben sollte. 

Den Zeitgenossen und Nachfahren war es zunächst wichtig, Otto als Stifter oder Gründer in Erinnerung zu behalten: Alle Klöster und Kirchen, die von ihm bedacht waren, sorgten dafür, dass dies niemals in Vergessenheit geraten sollte. Schließlich waren gerade geistliche Institutionen dazu verpflichtet, ihren Wohltätern im Gebet und Totengedächtnis zu gedenken. Bildwerke machten die Anwesenheit der Verstorbenen gegenwärtig. Doch entstanden sie teils Generationen oder Jahrhunderte später – und genügen deshalb den Ansprüchen eines lebensechten Porträts nicht. 

Würde statt Persönlichkeit

Offenbar war es Otto selbst wichtig, würdevoll zu wirken. Auf seinem Siegelbild zeigte er sich erstmalig frontal in majestätischer Würde. Damit wurde die Darstellung zum Vorbild für seine Nachfolger, für die er das Idealbild einer kaiserlichen Person und seines Amtes darstellte.

Schon zu Lebzeiten Ottos entwarf sein bekanntester Geschichtsschreiber Widukind von Corvey ein literarisches Bild des Herrschers: Da ist es ihm ganz im Zuge der Zeit gar nicht wichtig, dessen individuelle Persönlichkeit der Nachwelt zu überliefern. Nein, seine Darstellung der kaiserlichen Würde entspricht im Wesentlichen der überlieferten Traditionen über Karl den Großen. 

Ebenso der „Magdeburger Reiter“ aus der Zeit um 1240: Er wurde im Gegensatz zur unbestimmten Identität des Bamberger Reiters immer mit Otto in Verbindung gebracht. Er zeigt den noch jugendlichen Herrscher als Garanten von Recht und Ordnung, der dies auch durchsetzen kann. Zwar dient dies Standbild immer wieder zur Illustration Ottos, doch entstand es auch fast 270 Jahre nach seinem Tod. 

Weitreichende Gesten

Im 19. Jahrhundert änderten sich die Herrscherbilder grundlegend: Hier wurden die mittelalterlichen Kaiser zu Sehnsuchtsgestalten einer Einigung des Reiches. Die Herrscherbilder wollten die großen historischen Augenblicke neu vergegenwärtigen – pathetisch überhöht und meist mit gewaltigen Gesten, selbst die Kleidung flattert gewaltig. 

Die Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg, in der Otto 955 die Ungarn zurückschlug, war eine historische Weichenstellung. Stand er nicht zu Beginn nationaler Identität? Schlachten wurden in dieser Zeit oft dargestellt – meist ohne Blut und Leichen nur annähernd realistisch zu zeigen: Die Unterlegenen sind auf vielen Gemälden höchst malerisch zu Boden geworfen und stellen einen Gegenpol zu den vorrückenden Siegern dar. 

Daneben stand Otto immer wieder in Konflikt mit Familienangehörigen. Seine Brüder etwa wollten nicht einsehen, dass ihm kein Erbe zustand – waren nicht noch kurz zuvor Reichsteilungen üblich gewesen, durch die alle Söhne bedacht wurden? Bruder Heinrich soll Ostern 941 die Ermordung Ottos geplant haben und wurde gefangen gesetzt. Er konnte jedoch entkommen und unterwarf sich Weihnachten 941 in der Frankfurter Pfalzkapelle seinem Bruder. Tatsächlich verzieh ihm Otto. Von da an ist kein weiter Rebellions-Versuch Heinrichs überliefert. 

Er heiratete später Judith von Bayern und wurde 948 mit dem Herzogtum Bayern belehnt. Sein gleichnamiger Enkel sollte 1002 nach dem Aussterben der eigentlichen Ottonen die Herrschaft erhalten. Rethels Bild zeigt Otto durch seine Gesten sowohl versöhnungsbereit als auch mahnend.

Bald darauf rebellierte auch Ottos ältester Sohn Liudolf gegen den Vater. Denn nach dem Tod von Ottos erster Ehefrau Editha, der Mutter
Liudolfs, vermählte sich der Herrscher mit der Königswitwe Adelheid. Vater und Sohn versöhnten sich erst bei dem Einfall der Ungarn 955, Liudolf verstarb aber schon ein Jahr später an einem Fieber. 

So wurde Otto nicht nur als Kämpfer, sondern auch als ein kluger Herrscher zum Vorbild. Die Bildnisse von ihm setzten Standards – bis in unsere Geschichtsvorstellungen hinein. Kämpfer, würdevoller Herrscher oder Versöhner – welches Bild soll bleiben, wenn wir das schon zumindest als Hilfsmittel benötigen?

Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg läuft noch bis
8. Oktober. Mehr: https://www.deskaisersletz­tereise.de.

Katalog dazu für 35 Euro, 224 Seiten, ISBN 978-3-795-438005, sowie „Otto der Große 912–973“, 30 Euro, Verlag Schnell und Steiner.

Weitere Sonderausstellungen: „Otto der Große, der Heilige Laurentius und die Gründung des Bistums Merseburg – Spurensuche im Merseburger Kaiserdom“ bis 5. November. Und: „Des Kaisers Herz – Archäologische Tiefenfahndung am Sterbeort Ottos“ in Memleben bis 31. Oktober.