Schleudergang der Gefühle

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Editorial Inge Wollschläger im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger

Im Radio kommt ein Lied, das mich sofort mitreißt und ich schnipse gelaunt mit den Fingern. Im Ofen knuspert ein Apfelstrudel hoch und erfüllt die Küche mit leckerem Duft. Gleich wird mein Sohn kommen, sich darüber freuen und mir von seinem Tag erzählen. Eine Freundin schickt ein nachdenkliches Video – verbunden mit der Frage, wie man angesichts verschiedenster Probleme wohl seine Lebensfreude hochhalten kann.

Ein Freund schreibt eine Nachricht, dass seine Oma im Sterben liegt. Seit Wochen schon geht es ihr schlecht und immer schlechter. Nun deuten viele Anzeichen darauf hin, dass ihr Ende nahe ist. Im Radio wird ein lustiger Beitrag gebracht, bei dem ich lachen muss. 

Das alles passiert fast zeitgleich in wenigen Minuten. So viele Impulse. So viele Gefühle, die in einem stecken und – wie bei einem angeknipsten Licht – plötzlich aufflackern. Glückliche und beschwingte Momente wechseln sich mit Besorgnis und Kummer ab, schneller als einem manchmal lieb ist. An manchen Tag ist man ja durchaus froh, dass nichts Aufregendes passiert, was einen durch eine Gefühlswaschmaschine schleudert. 

Wir alle machen solche Erfahrungen. Keiner ist davor gefeit. Es sind existenzielle Erfahrungen und in dieser Welt können sie – auch wenn sie widersprüchlich sind – gemeinsam bestehen. 

Die Freundin fragte am Anfang dieser Geschichte, wie man seine Lebensfreude erhalten kann. Das ist ja oft kein Problem, wenn alles glatt, heiter und freundlich läuft. Und es ist um so schwerer, wenn Trauer, Probleme und Kummer aufkommen. 

Sicherlich hat jeder von uns da sein ganz geheimes Rezept wie man den Widrigkeiten des Lebens begegnen kann. Für mich persönlich ist es mittlerweile wichtig geworden, dass ich es zunächst einmal anerkenne, wenn mein Laune sinkt – aus welchen Gründen auch immer. Und dann mich zurück erinnere, dass das zu unserem Lebens dazugehört. Meine eigenen, wechselnden Befindlichkeiten sind nichts, was nur ich so empfinde. 

Die Psalmen sind voll mit Kummer und Lob. Abgrundtiefe Verzweiflung des Schreibers wechseln sich ab mit Freude und Ruhm gegenüber dem Schöpfer. „Euer Herz lebe auf“ – heißt es im 69. Psalm. Alles ist immerzu im Wandel und es ist ein tägliche Übung, diese zu durchstehen und das Herz (auf-)leben zu lassen.