Der Hirte leitet – auch in schweren Lagen

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern  zur Nachfolge

Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund, nicht als solche, die über die Gemeinden herrschen, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

1. Petrus 5, 1–4

Mächtige Menschen stehen im Mittelpunkt öffentlichen medialen Interesses. Macht faszinert, Macht polarisiert. Die Gruppe von Menschen und darunter Leitungspersonen, die der Verfasser des 1. Petrusbriefs vor Augen hat, steht dagegen in den Augen der damaligen gesellschaftlichen Öffentlichkeit ziemlich ohnmächtig da. Ihre Lebensweise spaltet die Gemüter. Die ethischen Entscheidungen, die in ihrem Leben nach außen hin sichtbar werden, machen sie zu Outsidern im Leben des Römischen Friedens, etwa um das Jahr 100. Die Weigerung den Kulten zu folgen, dem Zeitgeist, den Ausschweifungen in kulinarischer und sexueller Hinsicht rüttelt an den damaligen moralischen Grundüberzeugungen. Unsere Urahnen im Glauben, damals verächtlich Christianer genannt, ziehen vermutlich den Zorn der Götter auf sich, legen die Axt an die ökonomischen Grundfeste und gefährden damit das gesellschaftliche Gefüge. Die Folgen: Sie sind in ihrem Alltagsleben verbalen Angriffen ausgesetzt, Verleumdungen machen die Runde. Sie werden so in ihrer Würde als Menschen herabgesetzt. Deshalb will dieser Brief trösten, mahnen und vor allem in dieser erschütternden Erfahrung Orientierung geben. 

Die universale Frage über den Umgang mit kirchlicher wie weltlicher Macht stellte sich damals wie heute im Zuge von Machtmissbrauchskandalen und sexualisierter Gewalt in kirchlichen und staatlichen Strukturen. Der Autor weiß um die Gefahren, aber auch um die Bereicherung, die in verantwortungsvoll ausgeübter Macht liegt. Gottes Macht ist menschenfreundlich, nahbar, ermöglicht tiefes Vertrauen. Wir sehen das Profil dieser Macht: in damaligen Gemeinden liegt sie auf den Schultern vieler. Ein starkes Zeichen für Pluralität. Der Autor selbst bezeichnet sich als Zeuge der Leiden Christi und stellt sich mitten in den Kreis der Ältesten und beansprucht nicht besondere Autorität. 

Denn eine Überzeugung durchzieht all sein Schreiben: Das Haupt der Gemeinde ist Christus selbst. Er herrscht als Hirte, Erzhirte. Die Ältesten üben ihr Amt nur in so fern aus, wie sie diesem Vorbild folgen und selbst darin zu leicht nachahmenswerten Vorbildern für andere werden. 

Diese Grundüberzeugung bricht mit dem, damals wie heute, gängigen Bild von mächtigen Menschen. Was hier ins Leben der Gemeinde treten soll ist in den Augen der Welt geradezu eine Nichtmacht: Der „Gekreuzigte Gott“ bricht im Bild des Hirten, als Vorbild mit allen menschlichen Machtansprüchen und ist zugleich deren tiefste Kritik. Dieser Hirte leitet in schwierigen Lebenssituationen, legt das Fundament zu einem sinnvollen Miteinander durch die menschlichste Fähigkeit: mitzuleiden. 

In der Zeit von Ohnmacht in Krankheit und Neuausrichtung des Lebens, treffen die vertrauten Worte des Psalm 23: Gott als guter Hirte, eine lebensdienende Macht, fähig hineinzuleiden in meinen Schmerz und Ohnmacht.

Pfarrer Jacek Kikut, Seelsorge Fachklinik Herzogenaurach