Die Tür bleibt offen

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über die prophetische Zusage der Barmherzigkeit

So spricht der Herr: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen,und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.

Jesaja 54, 7–10

Die Tür knallt mit lautem Krachen ins Schloss. Mutter und Vater haben sich gestritten, so heftig und laut wie noch nie zuvor. Vater ist aus der Wohnung gestürmt. Tür zu, Ende! Und in mir, dem Kind, kriecht die Angst hoch: Was, wenn er nicht wieder kommt?

Tür zu, Ende! Heute bin ich es, die ab und zu die Tür hinter mir zuschlägt. „Macht doch, was ihr wollt.“ Ich gehe wütend aus dem Haus. Ob es den Kindern Angst macht, ist mir in dem Moment egal.

Tür zu, Ende! So geht es schon mal zu in Beziehungen, wenn der Zorn überkocht. Dann ist erst mal Funkstille. Das ist auch zwischen Gott und seinem Volk nicht anders. Eine Beziehungskiste ist das zwischen den beiden, so jedenfalls verkündet es Jesaja den Israeliten im babylonischen Exil. „Seine ‚Frau Zion‘ seid ihr und er, Gott, ist euer Mann. Ja er war zornig. Ihr habt euch nicht an seine Gebote gehalten. Aber jetzt ist sein Zorn verraucht.“

Und dann spricht Gott selbst durch den Mund des Propheten zu seinem Volk wie zu einem verängstigten Kind: „Fürchte dich nicht. Ich habe dich einen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen.“

Tür zu, Ende! Es gäbe auch heute gute Gründe für Gott, unsere Welt im Zorn zu verlassen: Blutige Kriege, die Ausbeutung der Erde, ungerecht verteilte Güter auf der Erde, Ausbeutung der Armen und Gewalt zwischen den Geschlechtern. Ja manchmal könnte man meinen, in all dem Gottes Stimme zu hören: „Macht doch was ihr wollt! Ich bin raus.“

Es gäbe gute Gründe, doch Gott wählt sie nicht. Er bleibt. In einer guten Beziehung gibt man sich so schnell nicht auf. Schon gar nicht Gott. Vater dürfen wir ihn nennen, diesen Gott. Ein Vater, der da ist und da bleibt, für immer und ewig.  Das liegt nicht an uns. Gott selbst reut sein Zorn und kehrt um. „Nie wieder!“, so hat er Noah und Israel versprochen: „Komme, was wolle, nie mehr will ich euch verlassen.“

Als Kind hörte ich nach einer Stunde den Schlüssel im Schloss, die Tür ging auf und der Vater kam mit einem Blumenstrauß für die Mutter zurück. Nach einer Stunde habe ich mich auch heute in der Regel beruhigt, gehe nach Hause, schließe die Tür auf und wir reden in Ruhe.

In einer guten Beziehung geht die Tür nicht für immer zu. Erst recht bei Gott. Die Tür zu ihm ist und bleibt offen und die Beziehung zwischen ihm und uns ist stabiler als wir denken. Gott jedenfalls wird sie nicht aufkündigen. Für alle, die an seiner Hand festhalten, gilt: Er ist und bleibt unser Erlöser und Erbarmer, Trost und Kraft in allen Dunkelheiten dieser Welt und immer an unserer Seite. 

Pfarrerin Irene Stooß-Heinzel, Fürth