Leben statt Strafe

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Editorial von Martin Ben-Baier, Chefredakteur des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern

Editorial von Chefredakteur Martin Bek-Baier

Und schon bin ich auf eine der ältesten und wichtigsten Fragen der Menschheit zurückgeworfen. Der Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem Buch Hesekiel im Kapitel 18 fragt, woher kommt das Leid in der Welt. Ist es eine Strafe Gottes?

Hier geht es wohl auch um eine der schwierigsten Fragen, die Menschen bewegt: „Warum geht es mir schlecht? Ich habe nichts Unrechtes getan und trotzdem werde ich bestraft?“ Diese Frage bewegt die Menschen schon zu allen Zeiten. Wir kennen Texte der alten Ägypter, die vor etwa 5.000 Jahren geschrieben wurden: „Warum geht es dem Übeltäter besser als mir, warum werde ich gestraft?“

Hesekiel stellt zum einen das Denken des Alten Testamentes in den Mittelpunkt. Wer sündigt, den straft Gott. Im Umkehrschluß heißt das aber doch, wen das Leben straft, der muss gesündigt haben. Ja, nach damaliger Überzeugung kann es sogar sein, dass dessen Vorfahren gottlos gehandelt hätten – die sprichwörtlichen Väter und Väters Väter. Und nun kommt die Strafe Gottes auf die Kinder.

 Allerdings wird dieses Denken schon zur damaligen Zeit überdacht und hinterfragt. Im Buch Hiob setzt sich das Alte Testament mit dem Gedanken auseinander, was ist denn, wenn einer leiden muss, der rein gar nicht gesündigt hat? Und es gibt doch auch durchaus Bösewichte auf der Erde, denen geht es zeitlebens hervorragend – was ist mit denen? Hiob findet die Antwort, dass das Leiden Gottes Geheimnis ist. In ihm ist der Grund für unserer Schicksal verborgen. Hiob begnügt sich voller Gottesfurcht mit dieser Antwort.

Jesus Christus greift dieses Denken auf. Er sagt zu seinen Jüngern, dass die Menschen, die bei einem Massaker durch Pilatus oder bei einem Unglück mit einem Turm zu Tode kamen, nicht schuldiger waren, als jeder einzelne seiner Zuhörer (Lukas 13,1–5). Es kann jeden treffen. Doch an dieser Stelle ruft er seine Jünger zur Buße auf. Liegt es also doch an uns, an mir? Ganz von der Hand weißen können wir das nicht. Die richtige Einstellung ist gefragt, der Glaube, so man will die Buße oder die Umkehr. 

Doch ich bin auch überzeugt, Gott will unser Leben. Er will nicht Leid und Not über uns bringen. Er steht für Güte und Barmherzigkeit. Schließlich ist heute der „Sonntag der offenen Arme“. Und wie heißt es im Wochenspruch: „Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19,10)