Jetzt kann es richtig losgehen!

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zum Jahresbeginn

Schön soll es sein, an Weihnachten, liebevoll, konfliktfrei. Aber wenn wir Weihnachten nur als Fest der Liebe feiern, dann unterschlagen wir da etwas: Das Evangelium soll uns verändern. Gott bringt mit Jesus Liebe zu Menschen, die diese Liebe dringend nötig haben. Vielleicht sind das wir. Vielleicht haben wir diese Liebe Gottes dringend nötig, die uns sagt: Ja, du bist mein geliebtes Kind, so wie du bist, mit den Brüchen in deinem Leben, mit Streit und dem, was dir nicht so gelingen will, wie du das gerne hättest. 

Es sind gerade nicht die perfekten Lebensläufe und Karrieren, die Gott groß macht, sondern es sind die schweren Lebenswege, die Zeiten von Trauer und Einsamkeit, in denen Gott uns ganz nah ist. Der Predigttext drückt es so aus: 

Seht doch, Brüder und Schwestern, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt, was nichts ist, damit er zunichtemache, was etwas ist, auf dass sich kein Mensch vor Gott rühme.

1. Korinther 1, 26–31

Töricht, schwach, gering, verachtet – das sind die Menschen, die Gott groß machen will. Und es ist ja im Weihnachtsgeschehen so vielfach angelegt. Gott kommt am Ende der Welt auf die Welt, als unehelicher Sohn einer Teenie-Mutter – schlimmer konnte es kaum kommen. 

Da ist keine weihnachtliche Romantik, kein Liebeskitsch – da geht es um die härtesten Konstellationen, die uns das Leben so zu bieten hat. 

Das sind heute sicher andere Situationen als damals. Heute ist es kein Weltuntergang mehr, wenn eine Frau ungewollt schwanger wird – und das ist gut so! Heute gibt es andere, die ausgestoßen sind aus der Gesellschaft, die keine Chance auf ein gutes Leben haben. Die Bildungsverlierer, die in der Schule aus Gründen nicht mitgekommen sind. Ausländer, die mit der falschen Hautfarbe unter Dauerverdacht stehen. Alleinerziehende Frauen in schlecht bezahlten Berufen, deren Kinder keine Chance auf echte Teilhabe haben. Ja, es gibt sie noch, die Menschen, die auf Grund ihrer äußeren Lebensumstände keine Chance haben. Und dann gibt es auch noch die wirklich Verliererinnen des Gesamtsystems: Die Erntehelfer, die Näherinnen unserer Kleider, die Matrosen und Zwangsprostituierten. 

Weihnachten geht weiter. Sollte weitergehen – wenn wir unseren Teil dazu beitragen. Gott kommt in die Unterkünfte der Zwangsarbeiter, die Bordelle der gekauften Frauen… und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt. 

Weihnachten ist eine Herausforderung für mich. Wenn ich das ernst nehmen will, was Gott uns an Weihnachten sagt, dann muss ich mich selbst immer wieder daran erinnern, dass Gottes Prioritäten andere sind als meine. Dass Gott anderes groß und wichtig findet als ich. Jetzt, am Anfang des neuen Jahres, ist ein guter Zeitpunkt, daran zu denken. Bevor die Schule wieder losgeht und ich Kinder benoten soll. Bevor ich weder in meinem alten Alltagstrott lande und die alten Vorurteile wieder aus ihrer Ecke kommen. 

Weihnachten ist vorbei – jetzt kann es so richtig losgehen damit, dass ich Weihnachten in meinem Leben ernst nehme. Machen Sie mit? 

Pfarrer Johannes Herold, Selb, Sprecher des Vereins AEE, Anders. Evangelisch. Engagiert