Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Susanne Borée
Das Alphabeth lernen, die ersten Zahlen. Es beginnt mit kleinen Schritten in den ersten Deutschkursen für Geflüchtete aus der Ukraine. Dann die ersten Dialoge: Begrüßung, Abschied, Dank, Bitte, Entschuldigung, Nachfrage.
Wie viel Verständigung ist möglich mit ganz wenigen Worten? Den Gesten? Auf Englisch, das auch nicht alle können, andere aber gleich mit Deutsch durcheinanderbringen und mit meinen paar Brocken Russisch?
Mehr als gedacht lässt sich verwirklichen: Material zur Übersetzung der wichtigsten Ausdrücke und zur Verständigung bei wesentlichen Lebenssituationen der Geflüchteten gibt es in Massen. Das Internet bietet es an allen Ecken und Enden zum kostenlosen Herunterladen an. Nicht alles ist aber hilfreich und nachhaltig. Zumindest kann ich für mich gleich das kyrillische Alphabeth wiederholen.
Ganze Sätze nachzusprechen, das ist ganz offenbar am beliebtesten. Da lassen sich beim Besuch des Amtes oder einfach nur beim Einkaufen viel weniger Fehler machen. Doch sind die Einsatzmöglichkeiten auch leider sehr begrenzt. Ebenso bei automatischen Übersetzungen durch Sprachprogramme. Mehr bringt es doch, die Struktur der neuen Sprache zu verstehen und einsetzen zu können. Dann weht ein guter Geist zu einem solchen Neuanfang. Das erfordert auch von den Lehrenden einen umfassenden Überblick.
Gleichzeitig setzt der Unterricht auf ehrenamtliches Engagement – wie vieles rund um die Arbeit mit Geflüchteten. Also wieder das Alphabeth des unbezahlten Engagement lernen!
Und gleichzeitig gibt es so viele unbezahlbare Erlebnisse: Ein kleiner Junge im Kindergartenalter war auch mit dabei. Obwohl der Kurs für Erwachsene ist, hatte ihn die Mutter (oder war es schon die Großmutter?) mitgebracht. Sie hatte wohl keine Betreuung während der Kurszeiten für ihn.
Selten habe ich ein so ruhiges Kind in diesem Alter erlebt. Also: total still, keinen Mucks während der gesamten anderthalb Stunden des Kurses. Was hatte ihn dermaßen verstummen lassen?
Anschließend erfuhr ich: Er heißt Sascha. Und er verabschiedete sich von mir – fast besser als die Erwachsenen, denen ich dies gerade ausgiebig beigebracht hatte.
Das Alphabeth der Verständigung lernen – wie schwierig und gleichzeitig auch so schlafwandlerisch sicher in vielen Gesten scheint es möglich?