Blumen zum Muttertag

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt über Dankbarkeit

Gott sprach: „Lasst uns Menschen machen als unser Ebenbild, das uns ähnlich ist. Sie sollen über die Fische im Meer, die Vögel am Himmel, die Nutztiere, die wilden Tiere und alle Kriechtiere herrschen.“ So schuf Gott den Menschen als sein Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er ihn. Als Mann und als Frau schuf er sie. Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch. Bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz. Herrscht über die Fische im Meer, die Vögel am Himmel und alle Kriechtiere.“

aus 1. Mose 1 (Neue Genfer Übersetzung)

Heute ist Muttertag. Über Blumen freut sich meine Mutter. Ich bin längst eine erwachsene Frau, aber in ihren Augen natürlich auch mit über 50 noch ihr Kind. Und sie ist meine Mutter. Ich freue mich, dass sie mich geboren hat, dass meine Eltern für mich da waren und dass ich ihnen jetzt im Alter etwas zurückgeben kann von der Fürsorge und Pflege, die sie mir als kleinem Geschöpf geschenkt haben.

Kleine Kinder sind verletzlich ebenso wie alte Menschen. Sie brauchen es besonders, dass man achtsam mit ihnen umgeht und vorsichtig. Dass wir sie mit liebevollen Augen anschauen. „Es war sehr gut.“ Diesen Blick verdienen kleine süße schrumpelige Neugeborene genauso wie alte faltige und demente Menschen. Weil wir alle zum Ebenbild Gottes geschaffen sind. Für mich ist dieser Gedanke aus der ersten Schöpfungserzählung immer wieder ein Grund zu jubeln. So wie ich bin, bin ich gut. Gut genug für Gott! Jede Frau und jeder Mann und alle, die sich diesen Kategorien entziehen, sind gesegnet. Ich höre diese Erzählung so, dass wir uns diesen liebevollen, wertschätzenden Blick Gottes zu eigen machen sollen und unsere Mitmenschen, Mitgeschöpfe genauso anschauen sollen. 

Keine leichte Übung, wenn man sich doch so oft so sicher ist, immer ganz genau zu wissen, was gut und was schlecht ist – besonders bei anderen! Aber vielleicht kann ich genau diese allzu menschliche Eigenschaft auch zum Guten wenden?! Indem ich genau hinschaue, wo Dinge nicht gut laufen, wo Menschen  unterdrückt und ausgebeutet werden.

Ich will hinschauen, wo Mütter und Väter um ihre Kinder weinen. Um die Zukunft ihrer Kinder, die auf der Flucht sind aus Afghanistan, aus Nigeria. Jeder zweite Flüchtling weltweit ist ein Kind! Ich will hinschauen, wo Mütter um ihre Söhne weinen, die als Soldaten in den Krieg ziehen. In Russland, in der Ukraine, im Jemen. 

Der 8. Mai ist für Deutsche ein besonderes Datum: Heute vor 77 Jahren wurde Deutschland befreit von der Nazi-Diktatur. Meine Mutter war damals ein siebenjähriges Mädchen und sie erinnert sich, wie sehr ihre Mutter sich um den Sohn gesorgt hat, der bei der Marine war. 

Die Generation, die uns noch vom Zweiten Weltkrieg und seinen Schrecken erzählen kann, ist schon gestorben oder wird alt und gebrechlich. Lange ist uns in Deutschland ein Krieg weit weg erschienen, meine Generation ist in Frieden und Wohlstand aufgewachsen, in den fetten und sorglosen 1970er und 80er Jahren. Vielleicht haben wir darüber aus dem Blick verloren, was uns heilig ist. Was wirklich zählt. Damit ich dem auf die Spur komme, muss es still werden um meine Seele, sie braucht Zeit, um den Blick umherschweifen zu lassen und zu entdecken, was alles gut ist auf dieser zerbrechlichen Welt: freundliche Menschen, die achtsam miteinander reden, den Mitmenschen liebevoll anschauen und sehen, was gut ist und die unguten Verhältnisse beim Namen nennen. Die einander Blumen schenken, zum Muttertag, zum Tag der Befreiung, als Zeichen der Hoffnung.

Pfarrerin Sandra Zeidler, Nürnberg