Umziehen: In neue Kleider und Wohnungen

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt über das Umziehen

Die Andacht zum Hören:

 

Und zum Nachlesen:

Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. … Wir sind aber getrost. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. 

Aus 2. Kor 5, 1–10

Ich schäle mich aus der gebügelten Bluse und dem dunklen Blazer. Ich schlüpfe in die Schlappen, streife den gemütlichen alten Fleecepulli über, und atme auf. Endlich Feierabend! Raus aus den Klamotten nach einem Tag voller Terminen und Gesprächen. Umziehen gehört für mich dazu, um innerlich im Feierabend anzukommen.

Umziehen gehörte schon früh zu seinem Leben dazu. Als Kind von Bayern ins Rheinland. Von der Stadt aufs Land und wieder zurück. Auf dem Weg in den Beruf lebte er alle paar Jahre in anderen Ländern und Städten. Er müsste Übung haben mit dem Umziehen. Aber jedes Mal, wenn der Umzugswagen gepackt ist, wenn die Tür der leeren Wohnung ins Schloss fällt, ein letztes Mal der Blick die vertraute Straße entlanggeht, überkommen ihn Tränen. 

Ist es Zufall, dass „Umziehen“ im Deutschen für beides steht, für den Kleiderwechsel wie den Wohnungswechsel? Wärme, Schutz und Geborgenheit sind Grundbedürfnisse des Lebens. Unbekleidet und unbehaust fühlen Menschen sich ausgesetzt und ausgegrenzt.

Mir kommen die Fernsehbilder der letzten Wochen aus den weißrussisch-polnischen Grenzgebieten in den Sinn. Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien irren durch die Wälder auf dem Weg nach Westen. Bekleidet nur mit dem, was sie auf der Haut tragen, oft viel zu dünn für kalte Nächte im Freien. Frauen ducken sich erschöpft unter Plastikplanen, um sich und ihre Kinder vor der Nässe zu schützen. Jede Flucht ist ein Auszug ins Ungewisse. Raus aus den Trümmern einer zerstörten Heimat, voller Sehnsucht, dass wenigstens die Kinder sich einmal in ein neues, gutes Leben kleiden können.

Für den Apostel Paulus weisen die irdischen Vorgänge des Umziehens weit über das Menschlich-Alltägliche hinaus. Sie beschreiben für ihn ein ruheloses, vorläufiges Leben. 

„Jetzt zieh ich nimmer um“, verkündet der alte Herr beim Einzug in sein Appartement im Pflegeheim. „Hier müssen sie mich schon raustragen, mit den Füßen voran.“ Dann erst fällt sein Blick auf das Kärtchen am Tisch mit dem Bibelwort aus Ps 23: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ 

Wenn unser irdisches Haus abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, das ewig ist im Himmel, sagt Paulus. Wir werden bekleidet und nicht nackt befunden werden. Sogar dann, wenn wir vor Gott stehen werden. Der Moment der Scham wird kurz sein. Und dann, so stelle ich mir vor, wird Gott mir ein neues Kleidungsstück reichen: Los, zieh das an! Und ich werde mein weißes Taufkleid von damals in Händen halten und irritiert sagen: Herr, das passt mir nicht mehr! Und werde hören, wie er sagt: Sei getrost, du wirst hineinwachsen!

Berthild Sachs, Dekanin in Schwabach