Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt über die Freiheit im Heiligen Geist
Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. … Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.
aus 1. Kor 6, 9–20
Vollständige Freiheit! – Wäre das nicht umwerfend? Dass ich alles tun könnte, was ich will, und mich nichts einschränken würde? Da sind wir schon nahe hingekommen: Elektromotoren erleichtern uns den Alltag von der Waschmaschine bis zum Fensterheber, über alle Bildschirme bekomme ich jede erdenkliche Information und die Verwandtschaft in der Ferne ist sogar von unterwegs am Telefon erreichbar. Und ich denke, ich habe keine Grenzen mehr.
„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten“ schreibt Paulus ganz zentral in unserem Text an die Korinther. Das Lebensgefühl in dieser antiken Stadt war unserem wohl ziemlich ähnlich. Als Handelsmetropole mit 100.000 Einwohnern und Kontakten in aller Herren Länder war die Stadt vielleicht das New York der Antike. Man hatte alle damals denkbaren Möglichkeiten. Und mancher in der christlichen Gemeinde dachte wohl auch, keine Grenzen mehr zu haben ….
Dass einem Christen nichts mehr passieren könne, weil er doch durch Christus erlöst sei, das haben manche wörtlich und individuell genommen und die Freiheit nur auf sich selbst und ihren eigenen Körper bezogen.
Freiheit ist aber nie beziehungslos, erst recht nicht, wenn ich mich auf Christus verlasse. Das „Reich Gottes“ bedeutet ja gerade, in einem heilen Zustand miteinander und mit Gott zu sein. Noch sind wir natürlich nicht endgültig dort, aber schon hier strahlt diese Beziehung von uns Christen zu Jesus Christus aus. Noch sind wir mitten im irdischen Alltag – mit allen wunderbaren und weniger wunderbaren Aspekten. Aber schon hier darf etwas vom Reich Gottes Wirklichkeit werden.
Ich finde das Bild vom „Körper als Tempel des Heiligen Geistes“ sehr schön. Hier geht es nicht nur um die geistige Existenz, in der Nachfolge Jesu Christi ist der ganze Mensch im Blick. Dazu gehört auch die Sexualität als schöne und lustvolle Seite der Körperlichkeit. Freilich nicht nur als Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Es geht auch hier um den ganzen Menschen. Andere zu gebrauchen (und dann im Extremfall wegzuwerfen) kann nicht nützlich sein. Es ist respektlos und gegen die Botschaft von Jesus Christus gerichtet. Für uns Christen geht es darum, in Beziehung zu treten zum Anderen. Denn sie oder er ist geliebtes Geschöpf Gottes.
Paulus führt den Gedanken noch weiter: „Nichts soll Macht haben über mich“. Freiheit hier in Beziehung zu setzen, und nicht nur für den eigenen Nutzen zu verstehen, ist eine gute Anregung für den Alltag. Manche aktuelle Querdenkerei erschüttert mich: Da gewinnt die Sicht auf die eigene Person oft die vollständige Macht. Und die Bedürfnisse der Lebens-KollegInnen, die Ängste der Anderen und ihre Gefährdung spielen offenbar ab und zu keine Rolle mehr. Unabhängig von der Freiheit zu eigenen Gesundheitsentscheidungen sind wir aber nicht allein auf der Welt. Für mich ist das ein wesentlicher Aspekt in meiner Sicht als Christ auf meine Umgebung.
Alles geht leicht heutzutage und wir sind mit vielen Möglichkeiten gesegnet. Mit viel Freiheit, aber auch mit Verantwortung für uns selbst und unsere Mitmenschen und unsere Welt. Christus hat uns dazu befreit. Und wir tun möglichst das, was zum Guten dient.
Pfarrer Peer Mickeluhn, Sauerlach
Lied 360: Die ganze Welt hast Du uns überlassen