Lernen Geschenke anzunehmen

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Editorial Inge Wollschläger im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger

Auf der rosa Pappschachtel steht: „Der lustige Kram vom Glücklichsein“. Eine Art Kartenspiel.

„Das ist für dich. Ich dachte an dich und dass du Freude daran haben könntest!“, sagt die Arbeitskollegin und sie hat recht. Ich freu mich wirklich sehr. 

Geschenke – egal welcher Art – zu bekommen, ist immer schön. Wenn jemand Gedanken und Handlung in Einklang bringt – nur zu unserer Freude, kann es doch netter kaum sein, oder? 

Ich selbst verschenke auch gerne. Das muss nicht an einem besonderen Tag wie Geburtstag oder Weihnachten sein, sondern dann, wenn ich – wie die Kollegin – etwas sehe, von dem ich annehme, dass es Freude machen könnte.

Im Lukasevangelium steht der schöne Satz: „Gebt, so wird euch gegeben“. Bei den meisten ist es sicherlich so, dass sie aus vollem Herzen schenken und nicht im entferntesten daran denken, etwas im Gegenzug dafür zu erhalten. 

Der „fröhliche Geber, den Gott lieb hat“, von dem im 2. Korintherbrief die Rede ist, hat keine Erwartung oder einen Plan nach dem Motto: „Wie du mir, so ich dir!“ Und trotzdem sollte ein Gleichgewicht herrschen. Denn viel geben und wenig erhalten ist ermüdend. 

Adam Grant, ein Psychologe und Au-tor des Buches „Geben und Nehmen“ schreibt, dass wir alle irgendwo zwischen denen sitzen, die es gewohnt sind, zu geben, und denen, die erwarten, nur zu bekommen. Harmonie wird in der Mitte gefunden. Dann ist man mit beidem glücklich – mit dem Geben und mit dem Nehmen. 

In letzter Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass dieser „Ausgleich“ oft überraschend ist und selten so, wie ich ihn erwarte. Ich bekomme ihn nicht von den Menschen zurück, die ich oft beschenkt habe, sondern auf einmal von ganz anderen, an dich ich
nie dachte. Ich erhalte eine Postkarte mit Wertschätzung, die ich aus dieser Ecke nie vermutet hätte. Ich darf reichlich Blumen pflücken in einem übervollen Garten mit den Worten „Nimm soviel du brauchst!“

Geben und Nehmen scheint oftmals anderen Gesetzmäßigkeiten zu unterliegen, als ich sie mir vorstelle. Und das gibt – zumindest mir – ein gutes Gefühl, bei jedem Geschenk, das ich mache: Gott sogt immer für einen Ausgleich. Oft besser, als ich es je gedacht oder erwartet hätte.