Archäologische Grabungen in der Oberpfalz und Oberfranken enthüllen Eindrückliches
Wo liegt der Abt des Klosters Michelfeld in der Oberpfalz begraben? Weder in der Klosterkirche noch im Kreuzgang – das wollte Friedrich Trautenberg ausdrücklich nicht. Von 1494 bis 1511 leitete er das Kloster. Er wählte einen ungewöhnlichen Ort für seine letzte Ruhe – das Treppenhaus im Getreidespeicher.
Ein Grabungsteam der archäologischen Grabungsfirma „In Terra Veritas (itv)“ mit Sitz in Bamberg mit dem Archäologen Robert Karl ist seit Ende April vor Ort. Das Landesamt für Denkmalpflege vergibt solche und ähnliche Aufträge an sie oder weitere archäologische Privatfirmen. Denn in dem 1119 gegründeten Kloster Michelfeld bei Auerbach südöstlich von Pegnitz stehen Modernisierungsmaßnahmen in diesem Getreidespeicher an. Seit 1885 ist in der Klosteranlage eine Einrichtung der Regens-Wagner-Stiftung untergebracht. Sie kümmert sich um Menschen mit Behinderung.
Von Hussiten zerstört folgte Neuaufbau
1420 und 1430 jedoch war auch Michelfeld wie so viele Orte in der Oberpfalz oder in Ostfranken ein Opfer der Hussitenkriege geworden. Die Zerstörungen im Kloster lassen sich archäologisch nachweisen als ein „schwarzes Band aus Holzkohle, teilweise mit Ziegeln und anderem Bauschutt durchmischt“. Diese Bodenschicht ist genau datierbar.
Doch bald nach diesen Kriegen war das Kloster Michelfeld wieder zu Wohlstand gekommen. Auch Friedrich Trautenberg wirtschaftete geschickt. Bis zu seiner Abtswahl war Trautenberg im Kloster als Granarius tätig, also als Verwalter für Lebensmittellieferungen und -lagerungen. Mit den Einnahmen erweiterte er die Ausstattung der Klosterkirche. In Nürnberg bestellte er etwa 1498 ein kunstvolles Evangelistar. „Doch seine alte Wirkungsstätte als Granarius schien er nicht vergessen zu haben“, so die Archäologen, „und so verfügte er mit seinem Testament, im Getreidespeicher bestattet zu werden.“
Das Gebäude hat in den vergangenen Jahrzehnten eine wechselhafte Entwicklung hinter sich: Um 1900 richtete die Stiftung dort eine Schule ein. Um 1970 entstand gar ein Schwimmbecken für die Reha-Einrichtung der Regens-Wagner-Stiftung. Doch das Treppenhaus blieb erhalten. Die Gebeine des Abtes wurden nach den Unterlagen nie umgebettet, weiß Robert Karl.
Aber Trautenberg ist verschwunden: Bei den archäologischen Grabungen fand sich bis zum Redaktionsschluss keine Spur von ihm. „Da hat jemand gut aufgeräumt“, so berichtet Robert Karl dem Sonntagsblatt. Neben ihren Probegrabungen kümmerte sich itv um zwei Sondagen bis zu einer Tiefe von 3,80 Meter. Dabei haben sie mehrere Fußböden freigelegt, die bis in die Zeit des Abtes Trautenberg reichen. Doch diese wurden ordentlich hinterlassen – nur in der untersten Schicht fanden sich Keramikscherben. Nun haben die Bagger für die Modernisierung freie Bahn. Robert Karl oder ein Kollege ist immer vor Ort, um „den Aushub weiter zu betreuen“.
Sternenkinder gehimmelt
Doch im vergangenen Jahr wurde ein Team von „In Terra Veritas“ im oberfränkischen Eggolsheim im Landkreis Forchheim ganz unerwartet fündig: Anscheinend heimlich hatte ein Unbekannter den Körper eines Neugeborenen auf dem Friedhof direkt neben dem Gotteshaus verscharrt. Seit rund 600 Jahren lagen die kleinen Knochen dort, bevor sie die itv-Archäologen freilegten.
Sie gehörten zu einem frühgeborenen Baby. Dieses Sternenkind durfte an sich gar nicht auf einem Friedhof seine letzte Ruhe bekommen. Da es wohl vor oder während der Geburt verstarb, konnte es nicht getauft werden. Ungetaufte aber hatten nach damaligen Vorstellungen in geweihter Erde nichts zu suchen! Sie waren wie Menschen, die sich selbst das Leben genommen hatten, für alle Ewigkeit verdammt.
Das muss wohl den Eltern oder nahen Angehörigen als zu grausam erschienen sein. In Eggolsheim fanden sich mehrere Bestattungen von Früh- oder Neugeborenen in der Nähe der Kirchenmauern. Die Eltern hofften, dass vom Kirchendach abfließendes Regenwasser durch die Berührung mit dem Gotteshaus geweiht war. Dieses Traufwasser benetzte die Kleinen wie eine Taufe.
Auf dem Friedhof um St. Martin in Eggolsheim hat vor wenigen Monaten das Archäologenteam der Bamberger Grabungsfirma „In Terra Veritas“ mehrere eindrückliche Enthüllungen gemacht. Sie konnten einen ersten, bisher unbekannten, Vorgängerbau der Kirche aus dem 11. Jahrhundert nachweisen. Die Pfarrkirche von Eggolsheim zählt zu den ältesten Gründungen des anno 1007 neu errichteten Bistums Bamberg. Von der mittelalterlichen Kirche mit Krypta existiert heute nichts mehr. Nur der weithin sichtbare, mächtige gotische Turm von 1305 ist bis heute erhalten geblieben.
Eine ganze Anzahl bestatteter „Traufkinder“ stammen aus der Zeit zwischen ungefähr 1350 und 1630. An sich sollten sie außerhalb der Friedhofsmauern bestattet werden. Doch viele Eggolsheimer widersetzten sich offenbar dieser Regel. Die Priester schauten wohl nicht so genau hin. In St. Martin konnte sogar ein eigener Bereich für die Babys festgestellt werden. Sie erhielten keine Beigaben wie Totenkronen oder Kreuze. Ihre Gräber lagen vor dem ehemaligen Chor im Osten der Kirche, in der Nähe des Altars.
Da sollte zumindest die Nähe zu dem heiligsten Bereich der Kirche sie wohl vor der Verdammnis schützen. Dabei konnte bis zu einem Drittel der Säuglinge vor dem Aufkommen moderner Standards der Medizin und Hygiene die Geburt nicht überleben. Bei einer schwierigen Schwangerschaft oder Komplikationen hatten sie kaum eine Chance.
Die Menschen früher entwickelten erst eine Beziehung zu ihren Kindern, wenn ihre Chancen auf Überleben besser standen. Also nach dem ersten Lebensjahr. So lehrt oft die Mentalitätsgeschichte. Eggolsheim spricht eine andere Sprache.
Auch das Kloster Ursberg bei Augsburg, 200 Kilometer südlich von Eggolsheim, lebte gut vom „himmeln“ solcher Sternenkinder. Dort bahrte man sie auf, legte auf ihren Mund eine Feder und zündete Kerzen rings um sie an. Geriet die Luft durch die Lichter in Bewegung, hob sich vielleicht die Feder auf ihrem Mund. Konnte ihnen nicht doch ein Atemhauch entwichen sein? Bei einem solchen Lebenszeichen erhielten sie schnell die Taufe und ließen sich nun ordentlich begraben.
Spuren werden lebendig
Solche Spuren kann die Arbeit von „In Terra Veritas“ wieder lebendig machen. In der Erde findet sich die Wahrheit – wie ihr Name verheißt. Oder zumindest kann die Suche dort beginnen. Vielleicht hat der längst vergessene Abt Friedrich Trautenberg im Kloster Michelberg doch noch Spuren hinterlassen. Und irgendwann lässt sich dann noch entdecken, wo er seine letzte Ruhe fand.
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