Der Herr, mein Hirte

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über das Vertrauen in Gott als Guten Hirten

So spricht Gott der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR. … Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. … Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der Herr. 

aus Hesekiel 34, 2

„Ich bin ein Schaf – du auch?“ T-Shirts mit diesem Aufdruck gab es mal in der Evangelischen Jugend. Provokant. Schafe wollen wir eigentlich nicht so gerne sein. Im alten Orient sind Schafe und Hirten ein alltägliches, ein positives Bild, das deshalb auch sehr oft in der Bibel auftaucht: Gott ist der Hirte, die Menschen sind die Herde; die Könige Israels sind auch Hirten – mal bessere und zur Zeit Hesekiels eher schlechtere. Deshalb spricht der Gott Israels durch den Propheten zu seinem Volk.

Kurzfassung: Die Könige Israels – die Hirten – haben versagt, Gott kümmert sich lieber wieder selbst um sein Volk. Der Tempel in Jerusalem ist zerstört, die Führungsschicht der Israeliten sitzt in babylonischer Gefangenschaft, Gottes Volk ist zerstreut in alle Winde. Gott rechnet mit der Regierungs-ebene ab: Sie haben das Volk nicht geführt und versorgt, sondern zu ihrem eigenen Vorteil ausgebeutet. Gott macht die Fürsorge für die Menschen zu seiner Sache: Er wird sie zurückbringen nach Israel, er wird die Schwachen stark machen und die „Fetten und Starken“ wachsen lassen – nicht für ihr eigenes Fortkommen, sondern zum Wohle aller.

Während ich diese Zeilen schreibe, gibt es in unseren Medien viel Diskussion darüber, ob die Bundesregierung ihre Möglichkeiten nutzen sollte, um über das Infektionsschutzgesetz mehr Kompetenzen im Einsatz gegen die Pandemie an sich zu ziehen. Denn die föderalistische Struktur und die Einbeziehung der MinisterpräsidentInnen behindere ein beherztes Handeln, das jetzt dringend nötig sei. Der Ruf nach klarer Führung und verantwortungsvollem Vorgehen kommt aus der Gesellschaft, von der Basis: von den Schafen, wenn wir beim Bild von Hirte und Herde bleiben wollen. Wir leben – Gottseidank – in einer Gesellschaft, in der die Schafe selbst ihre Hirten wählen und abwählen können.

So ist es übrigens damals zwischen Gott und den Israeliten weiter gegangen: Es wird noch daran gearbeitet, Abschluss-Termin unbekannt. Wenn wir so konkret bei dem Text bleiben, wie er gemeint ist, dann ist die Verheißung Hesekiels noch nicht erfüllt. Es gibt eine große jüdische Diaspora, es sind nicht alle im Lande Israel versammelt und werden auf den Bergen und in den Tälern geweidet, die Vollendung der Verheißung steht noch aus – und genau das ist Leben: Ein Wandern, nicht ein schon Dasein, ein Heilwerden, nicht schon ein Heilsein.

Uns bezeugt Hesekiel, wie der Gott Israels, der auch unser Gott geworden ist, für die Seinen sorgt: Gott kümmert sich um uns und verspricht, dass alle heil zu Hause ankommen werden. Dermaleinst.

Pfarrerin Claudia Lotz, Rosenheim

Gebet:

Lebendiger Gott, dein Sohn ist in Israel zur Welt gekommen, Er hat uns gezeigt, was gutes Leben ist: Liebevoll und heilsam unterwegs sein mit anderen, mit mir selbst, mit Dir, Gott. Im Glanz von Ostern mache uns zu Zeugen. Deiner Liebe in dieser Welt. Amen

Lied 594:

Der Herr, mein Hirte