Einer der einen kennt

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zu Johannes 12

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Johannes 12, 20–24

Da will eine Gruppe eine dritte Person treffen. Aber statt sich gleich an diese zu wenden, kennen sie einen Vierten, der wiederum wen kennt, der den Dritten kennt. Erst der Fünfte fragt dann mit dem Vierten zusammen. Doch die angefragte Person antwortet mit geheimnisvollen Worten. 

Ist das kompliziert! Direkte Kommunikation geht anders, es ist ein echtes Kommunikationsdesaster. Einige Griechen aus der Ägäis und Kleinasien pilgern zum Passafest. Dort durften sie, die zum jüdischen Glauben gefunden hatten, ihr Festopfer darbringen. Plötzlich, fast lautlos, erscheinen sie nicht nur in Jerusalem, sondern auch im Evangelium. Klar formuliert ist ihr Begehren: sie wollen Jesus sehen. Wo diese griechischen Gottesfürchtigen vom Menschensohn gehört haben, bleibt offen. Dazu wenden sie sich an den Jünger Philippus, der einen griechischen Namen trägt. Ist das ein Zufall? Warum gehen sie nicht direkt auf Jesus zu? 

Fragen nach Ansprechpartnern

Manchmal kann es hilfreich sein, jemanden zu fragen, der oder die wen kennt. Etwa bei den derzeit wichtigen IT-Kommunikationsformen einen Konfirmanden einschalten, der sich genau damit richtig gut auskennt. Eine freie Wohnung lässt sich meist nur noch mit persönlichen Kontakten finden. Die befreundete Ärztin kann zu einer unklaren Diagnose ihren Rat geben. Die besten Canneloni Roms findet man nicht im Reiseführer – sondern wenn man von einer feinen Signiora unvermittelt auf der Strasse angesprochen wird, die dann Mario kennt. 

Meine ersten Schritte im Glauben konnte ich im Religionsunterricht wagen, weil ich wen fragen konnte, der den kennt, der alle Menschen kennt. Gerade der Glauben braucht das Hören auf Andere, die von Gott und ihren Begegnungen mit ihm erzählen können. Solche Kontaktpersonen können helfen, eine Richtung einzuschlagen. Sie bleiben aber Stückwerk, weil es die echte Gottesbegegnung braucht.

Die Griechen aus Kleinasien werden trotz aller Mühen Jesus nicht begegnen. Sie werden ihn nicht sehen oder mit ihm reden können. Und doch werden sie ihm begegnen. Das Weizenkorn muss unter die Erde. Erst dann bringt es viel Frucht, entfaltet es sein ganzes Potential, grün wie die Hoffnung. Erst nach Ostern, erst in den Erzählungen seiner Jüngerinnen und Jünger, der Glaubenden, können die Griechen und Suchenden ihm begegnen. 

Das haben sie dann mit mir gemein. Auch ich würde Jesus sehen wollen, wissen, wer er war. Mir fallen viele Momente ein, wo ich ihm dringend begegnen möchte, wo ich ihn und seinen gnädigen Blick auf mich und die Welt vermisse. Doch trotzdem vertraue ich darauf: er will mir begegnen, ob ich es spüre oder nicht. Ich kann ihn und kann mich verlieren; aber verloren gehen, das kann ich ihm nicht. Im gemeinsamen Austausch und Feiern des Gottesdienstes, in Brot und Wein, in der Stille und im Gebet, beim staunenden Betrachten seiner Schöpfung, dann wenn ein Mensch über seinen dunklen Schatten springt oder in einer gelingenden zwischen-menschlichen Begegnung, kann ich ihn sehen, den Christus; so ich denn will.

Pfarrer Julian Lademann, Penzberg