Corona verschlimmert Krisen und Chaos

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Kisumu, Kenia. Eine Partnerorganisation von Brot für die Welt verteilt Hilfsgüter an arme Familien, die durch die Covid-19 Maßnahmen kein Einkommen haben.
Hilfsgüter im kenianischen Kisumu lindern die größte Not. Foto: Brot für die Welt

„Brot für die Welt“ hilft auch im Corona-Jahr nicht nur in Afrika und fürchtet um Spenden

Die Angst geht um in Afrika: Werden die maroden Gesundheitssysteme in vielen Ländern dort die Corona-Epidemie aushalten? In Kenia sind bereits fast 80.000 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden. „Nachdem die Zahl der Neuinfektionen seit Ende Juli rückläufig war, ist sie im Oktober wieder angestiegen“, erklärt Isabelle Uhe, Projektkommunikatorin für Afrika von „Brot für die Welt“. Sie ist an der Schnittstelle zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Programmarbeit für diesen Kontinent verantwortlich. Gerade die Länder südlich der Sahara gehören zu ihrem Schwerpunkt.

Sie haben kein Zuhause: Wohin sollen sie in Zeiten der Ausgangssperre ausweichen? Die Straßenkinder in der Stadt Kisumu im Westen Kenias leiden besonders unter dem brutalen Vorgehen der Polizei. Seit März sollten jede Nacht die Straßen leer bleiben – teils vom Nachmittag an. Inzwischen ist es erst wieder am späten Abend so weit. Doch die Kinder fliehen immer noch zum Schlafen aus den Innenstädten in die Stadtrandgebiete – und kehren morgens zurück.

Kenia hat wie die meisten afrikanischen Länder auf Corona sofort mit strikten Maßnahmen reagiert. Zu groß war die Sorge vor einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Grenzschließungen oder Ausgangssperren, geschlossene Märkte oder Schulen gibt es seit März. Bereits in den ersten drei Monaten nach der Ankunft von Corona im Land verloren 1,7 Millionen der knapp 48 Millionen Kenianer ihren Arbeitsplatz. Wer mit Corona-Symptomen ein Hospital aufsucht, muss umgerechnet tausend Euro im Voraus zahlen. Das ist selbst für Angehörige der Mittelschicht unmöglich.

Zusammen mit ihrer Partnerorganisation vor Ort hat „Brot für die Welt“ ein gemeinsames Projekt für die ärmsten Teile der Bevölkerung in Kisumu gestartet. Gerade in den Slums können die meisten Haushalte nicht genügend Nahrungsmittel und Trinkwasser vorrätig halten. Sie leben von einem Tag zum anderen.

Noch schlimmer ist die Situation für die 137 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, die den Kindergarten der Hilfsorganisation besuchen. Auch er ist seit vielen Monaten geschlossen. Dort aber erhalten die Kinder normalerweise auch warme Mahlzeiten. Zu Hause bekommen sie nur sehr wenig. Die Hilfsorganisationen konnten nur hoffen, dass die Kinder auch jetzt nicht unter Wachstumsverzögerungen und mangelnder Versorgung mit Flüssigkeiten leiden werden.  

Corona-Situation in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara

Bislang verlief die Corona-Pandemie glücklicherweise in den meisten der 54 afrikanischen Staaten eher milde, so Isabelle Uhe. Seit Ende Juli sind die täglichen Neuinfektionen in den Ländern südlich der Sahara für den Moment rückläufig. Auf dem gesamten Kontinent wurden bisher über 2,1 Millionen Menschen positiv auf das Virus getestet. Etwa ein Drittel von ihnen befindet sich mit über 792.000 Erkrankten in Südafrika. Gefolgt ist dies Land von Äthiopien, Nigeria und Kenia. Mindestens 51.900 Erkrankte sind an den Corona-Folgen in Afrika gestorben. Aus Tansania ist es besonders schwierig, Zahlen zu bekommen, da die Regierung Corona nicht wahrhaben will.

Die afrikanischen Partnerorganisationen von „Brot für die Welt“ mussten aufgrund der Corona-Einschränkungen ihre Hilfen herunterfahren. „Einige Partner erkrankten selbst an Covid-19“, so Isabelle Uhe. „In vielen Fällen machte eine schlechte Internetverbindung oder fehlender Strom die Arbeit im Homeoffice so gut wie unmöglich.“ Doch schon nach kurzer Zeit konnten sie reagieren, Programme umwidmen oder zusätzliche Mittel bereitstellen. 130 von den 600 laufenden Projekte in 32 Ländern südlich der Sahara ließen sich so anpassen, erklärt Uhe. Ferner reagierte „Brot für die Welt“ mit 16 zusätzlichen Corona-Projekten. Es gelang der Hilfsorganisation, dafür acht Millionen Euro bereitzustellen. Davon stammte ein Gutteil aus Spenden.

Hilfen von „Brot für die Welt“

In den 32 afrikanischen Ländern, in denen „Brot für die Welt“ engagiert ist, gab es etwa Trainingsmaßnahmen für das Gesundheitspersonal zu Hygiene- und Präventionsmaßnahmen. Es wurde mit Schutzausrüstung oder Desinfektionsmitteln ausgestattet. Auch die Menschen vor Ort sollten über die Ausbreitung der Krankheit informiert sein. „Durch diese Projekte ließen sich mehr als 3,4 Millionen Menschen erreichen!“, so Uhe.

Vor allem die ärmsten Menschen verdienen sich ihren Lebensunterhalt durch informelle Arbeit: Das heißt, durch die Herstellung und den Verkauf von Waren auf Märkten oder am Straßenrand. Oder sie bieten einfache Dienstleistungen an. Ihre Lebensgrundlagen brachen nun vielfach weg, erklärt Uhe. 

Und in ländlichen Gebieten führten die Bewegungseinschränkungen dazu, dass die Lebensmittel nicht mehr auf Märkten zum Verkauf standen. Bäuerinnen und Bauern hatten kein Einkommen mehr. Gleichzeitig war die Versorgungslage in den Städten wenig gesichert. 

Bewegungseinschränkungen bedeuten Stillstand

Fast flächendeckend waren Schulen teilweise über sechs bis sieben Monate lang geschlossen. Online-Unterricht war ohne stabiles Internet nicht möglich. In Sierra Leone in Westafrika, das schon stark mit Ebola kämpfte, verteilte ein Partner von „Brot für die Welt“ 200 Solar-Radios, um Bildungssendungen zu empfangen. Inzwischen müssen wieder viele Kinder das Familieneinkommen durch eigenen Verdienst ausgleichen. Nicht wenige Mädchen landen in der Prostitution. Teenager-Schwangerschaften und Kinderehen haben zugenommen. Wie viele Kinder können da noch in ihre Klassenräume zurückkehren? So fragt Uhe. 

Oft müssen sie mit ihren Familien auf den Feldern arbeiten, da Arbeitskräfte von außen nicht mehr helfen durften. Abends sind sie dann zu müde und oft auch zu hungrig, um sich noch auf den Lernstoff zu konzentrieren. Und Lehrer erhielten teilweise keine Bezahlung mehr. Sie mussten ihre Arbeit, wenn überhaupt, ehrenamtlich weiterführen.   

In Südafrika führen die Not und die Spannungen gerade dazu, dass viele Frauen und Mädchen unter Gewalt leiden, weiß Uhe. Alle drei Minuten stirbt eine Frau durch Mord, so die Polizei. Die Kontaktsperren machten es fast unmöglich, Beratungen aufrecht zu erhalten oder die begehrten Plätze in Frauenhäusern zu erweitern.

Nun fürchten die Helfenden in Deutschland selbst, dass ihnen bald die Luft ausgehen wird. Denn ein Großteil der jährlichen Spenden geht in der Vorweihnachtszeit ein. Da auch hierzulande die Gottesdienste beschränkt sind und wahrscheinlich viele Menschen am Heiligabend zuhause bleiben, fürchtet die Hilfsorganisation um Spendenmittel. Susanne Borée

Online Spenden unter https://www.brot-fuer-die-welt.de/spenden/

Oder Spendenkonto: Brot für die Welt, IBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00,  BIC: GENODED1KDB,  Bank für Kirche und Diakonie