Editorial: Erwartung neu buchstabieren

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Boree_Sommer_Hintergrundbild_Kraus

„Nikolaus, komm in unser Haus!“ Das geht wohl in diesem Jahr gar nicht. Schließlich soll unter seinen Gaben keineswegs die Ansteckung von Corona von einer Familie zur nächsten sein. Auch hier entwickelten Initiativen und Kirchengemeinden kreative Ideen, um den Kindern noch ein Stückchen Normalität zu bieten: Nicht der Nikolaus kommt, sondern die Kinder zum Nikolaus hinaus: In Gärten, auf die Terrasse oder wohin auch immer. Da ist dann auch mehr Abstand möglich. Allerdings muss dann der Gabenbringer sein Pensum schaffen, ohne sich zwischendurch mal aufwärmen zu können.

Oder er trifft in Kirchen, die ja bislang weiter geöffnet sein dürfen, mit weitem Abstand auf möglichst wenige Kinder. Das könnten dann aber nur unter den aktuellen Bedingungen Angehörige von zwei Haushalten sein. Natürlich könnten dann viel weniger Kinder als normal beglückt sein. Natürlich können auch Familienangehörige für die eigenen Kinder in das Gewand des spendablen Bischofs von Myra schlüpfen. Doch schon Martin Luther hatte ganz ohne Corona seine Bedenken gegenüber dem Gabenbringer. Er versuchte, das Christkind gegen den Heiligen zu stärken – auch wenn er dabei nicht ganz konsequent handelte.

Der Vorteil für heute: Es braucht wohl weniger direkte Kontakte, sondern kann auch ganz „heimlich“ schenken. Allein schon dieses Beispiel zeigt, dass auch Gebräuche und Riten immer wieder in Bewegung waren oder sich an aktuelle Herausforderungen anpassten.

Besonders schmerzlich erfuhren dies viele Gläubige in diesem Frühjahr beim ersten Corona-Lockdown: Hier waren auch Gottesdienste nicht mehr möglich, was auf großes Bedauern stieß. Was aber ist wichtiger: Möglichst originaler und gemeinschaftlicher Vollzug der Riten auch in solchen Krisenzeiten? Oder Neugestalten dieser Formen dort, wo sie nicht verantwortlich durchgeführt werden konnten? Natürlich förderten digitale Zusammenkünfte nicht bei allen Gemeinschaftsgefühle. Doch welch ein Glück haben wir damit – vor wenigen Jahren wäre dies gar nicht möglich gewesen. Inzwischen ist selbst das Nürnberger Christkindl nur noch online anzutreffen und hat alle realen Termine abgesagt.

In der Adventszeit suchen Gemeinden und Kirchen nach neuen Formen für alle, die sich unterwegs aufwärmen wollen – es geht auch in der realen Welt.