Andacht: Geduld haben und ungeduldig bleiben

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Jakobus 5, 7–8

„Wann kommt er endlich?“ In diesen Tagen gilt dieser Stoßseufzer vermutlich bei vielen einer Frage: Wann kommt endlich ein Impfstoff, der uns in das Leben vor Corona zurückkehren lässt, zu unbeschwerten Kontakten, Umarmungen, in ein Leben, das nicht von Vorsicht, Abstand und Angst um geliebte Menschen geprägt ist? Wann kommt er endlich? Zur Zeit des Jakobusbriefs wurde diese Frage auch in der christlichen Gemeinde gestellt. Sie galt allerdings einer anderen Erwartung. Hatte man noch nicht lang genug dem Wiederkommen Jesu Christi entgegengefiebert?

Bewusst hatte man sich nicht in der alten Welt eingerichtet, hatte gelebt wie auf der Durchreise, gewiss, dass Jesus Christus zurückkommt und mit ihm neues Leben im Heil. Das hatte Jesus versprochen, damit hatte er Menschen begeistert. Dann ging die Zeit ins Land und es kam – scheinbar nichts. Die Stimmung war gereizt.

Geduld, fordert Jakobus, habt Geduld! Klingt das nicht ein bisschen hilflos? Ob seine Mahnung gut ankam? Sicher nicht bei allen! Geduld ist ja keine besonders bewunderte Tugend. Wann ist das letzte Mal jemand öffentlich für seine Geduld gelobt worden?

Jakobus aber hält zwei Dinge fest, und die glaubt er gewiss: Gott hält, was er verspricht und so lohnt es sich, zu warten. Jakobus fasst sein Vertrauen ins Bild des Landwirts. Das ist ein Vergleich, der den Menschen damals unmittelbar einleuchtete. Es gibt Dinge, mit denen man sich arrangieren muss. Er hätte keinen stärkeren Kontrast setzen können zu denen, die ungeduldig alles neu machen möchten. Die Natur lässt sich nicht hetzen, aber sie gelangt sicher an ihr Ziel. Erst kommt Regen, dann der Sommer, dann wieder Regen, dann ist Erntezeit. So – das ist für Jakobus selbstverständlich – hat es Gott gemacht, und auf ihn ist Verlass in jeder Hinsicht!

Das Vertrauen des Jakobus ist auch für uns ein hilfreicher Anstoß. Ungeduldige Hoffnung auf das Kommen des Erlösers Jesus Christus steht heute nicht im Vordergrund unserer Sehnsucht. Jakobus und seine ungeduldige Gemeinde rufen uns da heilsam neu ins Bewusstsein, wie wichtig und wertvoll, ja wie unverzichtbar es für Christen ist, als Wartende, als Erwartende zu leben.

Was wie ein Widerspruch aussieht, ist vielleicht gar keiner – sondern die aufrichtige Beschreibung des Jakobus für das christliche Leben und das zu jeder Zeit, auch für die unsere, wo wir gerade mit vielen ungeduldigen bangen Fragen in die kommenden Monate sehen.

Seid geduldig, es lohnt sich zu warten! Beides ist wahr, denn beides bedeutet letztlich dasselbe: Gott ist uns nahe! Auch die Wartezeit ist von Gott erfüllt. Diese zuversichtliche Erwartung prägt die Stimmung im Advent. Dafür leben wir in diesen Wochen intensiv. Der Grundton unseres Lebens ist Hoffnung und Zuversicht.

Dekanin Ursula Brecht, Neustadt an der Aisch