Können Roboter Bewusstsein erlangen?

1401
Karsten Wendland befragt Experten aus mehreren Fachbereichen zur Künstlichen Intelligenz
Karsten Wendland befragt Experten aus mehreren Fachbereichen zur Künstlichen Intelligenz. Foto: Uli Planz (KIT)

Übergreifende Podcast-Reihe des Karlsruher Instituts für Technologie

Kann eine „Künstliche Intelligenz, also kurz KI“ ein Bewusstsein entwickeln? Was würde das für den Menschen bedeuten? Dabei ist dann erst einmal zu klären, was überhaupt „Bewusstsein“ bedeutet. Der Wissenschaftspodcast „Selbstbewusste KI“ der Forschungsgruppe „KI-Bewusstsein“ des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) stellt sich diesen Herausforderungen. Im Institut selbst arbeiten nach eigenen Angaben rund 9.300 Mitarbeitende. Sie geben ihre Erfahrungen an gut 24.000 Studierenden weiter.

In zwölf Folgen und einer Abschlussrunde nähern sich Expertinnen und Experten aus der Robotik, aber auch aus den Fachgebieten Psychologie, Philosophie, Jura, Technikgeschichte, Neurowissenschaften oder Theologie der Frage: Können Formen Künstlicher Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln? Professor Karsten Wendland, der am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT zum Thema Computer und Bewusstsein forscht, hat die Reihe initiiert. Er führt auch die Interviews. 

In der ersten Folge des Podcastes im September befragte Wendland den Psychologen und Psychiater Professor Thomas Fuchs aus Heidelberg. Unser menschliches Bewusstsein ist mehr als die Summe aller Informationen, die wir lebenslang gesammelt haben. Es ist ebenfalls an das körperliche Erleben und an die neurologischen Prozesse im Gehirn gebunden, so Fuchs. 

Insofern sei es sinnlos, etwa einen „Gehirnscan“ kurz vor dem Tod zu machen, um den Sterbenden auf diese Weise weiterleben zu lassen. Ein statisches Bild der gespeicherten Informationen kann niemals den Bewusstseinsstrom angemessen abbilden. Er kann höchstens simuliert werden – ebenso wie bisher auch die menschenähnlichsten Roboter menschliches Verhalten simulieren, nicht weiterführen, meint Fuchs. 

Beim Aufwachen werden wir uns jeden Morgen wieder selbst bewusst. Weit mehr als der Begriff des „Bewusstseins“ ist auch das Verständnis der „Seele“ viel stärker religiös und existentiell als „Innengrund“ unseres Lebens geprägt. 

Wir Menschen ordnen neue Informationen intuitiv in bisherige Erfahrungswelten ein. Diese Prozesse geschehen weitaus komplexer als bei Trainingsprogrammen für Computer. Menschen nehmen nicht alle Informationen auf, zu denen sie Zugang haben. Nein, ihre Auswahl ist durch Vorerfahrungen, bisherige Kenntnisse oder Neigungen geprägt. Dagegen nehmen Roboter alle Informationen, mit denen sie „gefüttert“ werden, gleichwertig auf. Doch dabei wählen Menschen die Informationen für sie aus. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht nicht egal, dass die allermeisten KI-Entwickler männlich sind, einer ähnlichen Generation und sozialen Schicht entstammen. Wenn ein selbstfahrendes Auto etwa vor der „Entscheidung“ steht, entweder ein Kinder oder einen alten Menschen zu überfahren, führt es nur mit geradezu erschreckender Konsequenz Grundprägungen und -informationen weiter.

Immer wieder wünschten sich Menschen, Artefakte zu entwickeln, die lebendig werden oder zumindest so erscheinen. Beschwörungsrituale blieben zunächst auf den magischen Raum beschränkt. Vielleicht gestalten wir menschenähnliche Roboter, um unsere eigenen sozialen Bedürfnisse und Wünsche nach einem berechenbaren und gleichzeitig übermenschlichen Gegenüber zu befriedigen? Professor Andreas Bischof aus Chemnitz dachte über Beziehungen zwischen Menschen und Robotern oder deren „Aura“ nach. Warum interessiert es kaum, einen Hunde-Roboter zu erschaffen?

Die Art ihrer Gestaltung sagt viel über menschliche Vorstellungswelten, fügte der Heidelberger Technikhistoriker Christian Vater hinzu. Er zeigte die verschiedenen Schichten menschlicher Vorstellungen auf, die solch eine Entwicklung erst ermöglichten. Vom Golem bis zu Frankenstein erschienen sie als schrecklich. Pinocchio als niedlich und einfältig, der weder Versuchungen durchschaut noch verantwortlich handelt.

Selbst wir Menschen lassen uns auch von unbeabsichtigten Nebenwirkungen der IT-Technik bestimmen. Die SMS etwa wurde erfunden, weil für ein paar Zeichen noch Speicherplatz frei war. Niemand konnte da voraussehen, welches Eigenleben bis hin zu Twitter und Co. sie entwickeln sollte. 

Alan M. Turing zeigte bereits um 1950, dass auch Maschinen nicht nur ein vorgegebenes Regelwerk abarbeiten, sondern durch Rückkopplungsprozesse selbsttätig Neues lernen können. Und was, wenn Menschen mit Maschinen verschmelzen – etwa durch den Einbau von Chips ins Gehirn oder künstliche Beeinflussung durch Genetik?

Können Computer oder solch ein Mischwesen eines Tages aufwachen wie ein Mensch vom Schlaf? Und dann ein Bewusstsein seiner selbst erlangen, die über Rückkopplungsprozesse hinausgehen? Schon allein über das Bewusstsein von Tieren lässt sich trefflich streiten. Leidensfähigkeit haben sie durchaus – zumindest höhere Lebensformen wie Schweine. Auch wenn das wohl niemand mehr bestreiten kann, weigern wir uns die Konsequenzen etwa für die Massentierhaltung zu ziehen.

Dagegen vergötzen viele Menschen anscheinend selbstwirksam agierende Systeme. Schon jetzt untergraben soziale Medien die Grundlagen unserer Demokratie, weil sie nicht am Gemeinwohl orientiert sind, sondern an Profiten der Werbekunden. Algorithmen binden die Nutzer immer effektiver an sich, weil sie etwa Bedürfnisse wie Empörung und Anerkennung perfekt bedienen. Diese Gedanken führte Philosoph Thomas Metzinger aus Mainz weiter.

Selbst wenn Roboter zunehmend autonom handeln, können sie weder Verantwortung übernehmen noch schuldfähig sein. Dies ist an Entscheidungs- und Willensfreiheit gebunden. Wer ist haftbar für mögliche Schäden, die sie anrichten? Die Menschen, die hinter ihnen stehen? Ihre Entwickler? Darüber denkt unter anderem die Juristin Frauke Rostalski nach, die auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist. Unsere Ethik ist immer an kulturelle Kontexte gebunden. In Asien sind ganz andere Werte wichtig als hierzulande.

Bereits die ersten Folgen der Podcast-Serie zeigen: Die Entwicklung der Roboter betrifft unzählige Fragen des menschlichen Selbstverständnisses, die meist gar nicht übergreifend geklärt sind. Sie berühren die Sphären philosophischer Wertediskussion, aber auch unseres Verständnisses von Bewusstsein, Geist und Seele. Daran lohnt es sich weiter abzuarbeiten.  

Susanne Borée

Die Folgen zum Nachhören: https://www.ki-bewusstsein.de/podcast. Neue Folgen gibt es dienstags bis zum 1. Dezember. Eine Diskussionsrunde mit allen Experten schließt die Reihe am 7. Dezember ab. Bisher konnten die Beiträge bis einschließlich 20. Oktober erfasst werden.