Engel, die den Weg zu Gott weisen, Teil 2

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Engelsweg der Autobahnkirche Geiselwind
Res Hofmann arbeitet die Gesichtszüge ihres Engels heraus. Foto: Bei-Baier

Ein Engel der Trost spendet

Res Hofmann aus Schlüsselfeld ist Autodidaktin und hat sich die Kunst selbst angeeignet. Die gelernte Krankenschwester begann mit dem Schnitzen, als sie ihren zwei klei-
nen Kindern Marienfiguren zur Geburt von Hand selbst geschnitzt
hat. Vor fünf Jahren kam sie dann zum Arbeiten mit der Kettensäge
an Holzskulpturen. „Als ich das das erste Mal sah, dachte ich, wie groß und schnell man so arbeiten kann, das möchte ich auch machen!“ 

Ihre Vorliebe gilt menschlichen Figuren, wie die Engel. „In einen Engel kann jeder hineininterpretieren, was er gerne für sich möchte“, findet sie. „Ein Engel kann liebevoll sein, er kann Trost spenden, er kann Hoffnung geben. Was man gerade sucht kann man in den Engeln finden.“ Unter ihren Händen entsteht hier der „Engel der Trauer und des Trostes“. „Trost ist der Grund warum viele Menschen einen Engel suchen.“ Im Gespräch eröffnet sie, dass sie selbst mit dem Arbeiten an den Figuren Trauer aus ihrem eigenen Leben aufarbeitet. „Mein Engel soll mittrauernd sein, er trägt Schmerz, aber nicht verzweifelnd, denn er soll Hoffnung geben. Er soll mitfühlend  sein, aber nicht hoffnungslos wirken.“

Hofmann brachte drei Künstlerkollegen mit nach Geiselwind. „Wir machen ziemlich viel auf Kettensägenevents zusammen“, sagt Martin Reichmann. Er ist hauptberuflich gelernter Holzbildhauer. Ich habe klassisch gelernt auf der Bildhauerschule in Oberammergau. 

Nachdenklicher Deuter

„Von Hand zu hauen kann heute keiner leben. Daher bin ich vor ein paar Jahren auf Kettensägenbildhauer umgestiegen“, sagt der Künstler. „Der Vorprozess wird mit den Maschinen gemacht, der Abschluss einer Skulptur ist oft das klassische Hauen.“ Die Figur wird noch mal oberflächenversiegelt, dadurch kommt die Maserung des Eichenholzes besser raus und die Figuren bleiben schön mindestens fünf Jahre und verblassen solange nicht, sagt Reichmann.

Er arbeitet als Auftragskünstler, wie hier in Geiselwind. Nur hat er den Erzengel Gabriel übernommen, der Deutende und Wegweisende. Sein Gabriel schaut Richtung Maria und weist durch seinen Blick den Weg. Er deutet den Menschen Gottes Willen. Reichmann hat ihn etwas nachdenklich und eher still geschaffen, als würde er selbst über die Worte Gottes nachdenken, die er weitergeben soll. „Es ist eine Pose, die nicht aktiv ist und sehr nachdenklich“. Reichmanns Vater ist Pfarrer in Thüringen, in dessen Gemeinde ist der Künstler groß geworden. 

.Ein ausdrucksstarkes Holz

„Der Erzengel Raphael ist der große Engel der Heilung“, sagt Strohofer. „Wir sehnen uns nach einem heilen Leben, nach einer heilen Seele.“ Der Erzengel Raphael lädt mit einer Kerze ein, zu ihm zu kommen und zu verweilen. „Er soll etwas Einladendes haben“, sagt Michael Tamoszus aus Bad Saulgau. Er ist ebenfalls Holzkünstler mit der Kettensäge. Der gelernte Forstwirt hat neben dem Beruf die Holzkunst mit der Säge angefangen.  

„Eiche ist in dankbares Holz mit dem man ausdrucksstark arbeiten kann“, sagt  Tamoszus. Die Engel in Geiselwind entstehen aus etwa zwei Meter hohen Eichenstämmen, die für das Projekt gespendet wurden. „Eiche ist an sich ein hartes Holz, aber gernerell arbeitet es sich gut mit diesem Holz“, erklärt Tamoszus. „Man sieht die Konturen gut, die man schafft. Es gibt auch Hölzer, wo das verschwindet, bei denen man nicht so starke Kanten hat.“  

„Ein Engel ist für mich etwas sehr Ausdrucksstarkes, man kann viel
hinein interpretieren“, sagt auch er.  Fünfundneunzig Prozent der gesamten Figur werde mit der Kettensäge heraus gearbeitet. „Wir haben auch ganz kleine Kettensägen, mit denen man feiner arbeiten kann. Der Rest ist Feinarbeit mit Stechbeiteln und Schleifpapier, berichtet Tamoszus. „Die Augen zum Beispiel.“ 

Zerfressene Seelen

„Ich provoziere gerne als Künstler“, sagt schließlich Christian Schmidt  aus Rauschwitz Thüringen. Er bezeichnet sich ebenfalls als Quereinsteiger in die Kunst. Nach der Schulzeit schloss er eine Berufsausbildung zum Fleischer ab. Schon in dieser Zeit schnitzte er in der Freizeit Skulpturen mit der Kettensäge. „Dadurch öffnete sich für mich eine neue Tür in die wunderbare Welt des kreativen Arbeitens. Ich fand darin meine tatsächliche Berufung und gehe ihr seitdem erfolgreich nach“, beschreibt er seinen Zugang zur Kunst auf seiner Homepage.  

Im Gespräch mit dem Sonntagsblatt beschreibt er einen persönlichen Tiefpunkt in seiner Biographie in der er alles verloren hatte, einen nahestehenden Menschen und das berufliche Standbein. „Da entschied  ich mich mit 30 Euro für die Selbstständigkeit.“ Seit neun Jahren ist er freischaffender Künstler und lebt seitdem ganz für die Kunst und ganz von ihr. „Ich hab mir das alles autodiktaktisch angeeignet“, sagt er. „Ich habe mich auf die abstrakte Kunst eingeschossen und sage mir, weniger ist mehr: Die glatten Flächen zu schaffen, sie zu spannen oder auch die Linien zu setzen liegt mir gut.“ Dabei hat er sich auf gesellschaftskritische Themen konzentriert. „Ich gestalte oft ,zerfressene Seelen‘.“ Ein Beispiel ist ein DDR-Grenzsoldat, den er geschaffen hat, der auf der einen Seite in Uniform und mit Kalaschnikow schneidig wirkt, aber von Innen selbst zerfressen ist. Schmidt stellt daher viel in Kirchenräumen aus.

Ein kritisches Werk, das die Gefährdung der Natur darstellt, ist die „Glasarche 3“, die schon auf Umweltgipfeln zu sehen war. „Dazu habe ich eine Hand geschaffen, die 3,7 Tonnen wiegt.“ Das Kunstwerk besteht aus dem Glasboot, das die Zerbrechlichkeit der Natur symbolisiert und Schmidts Hand. „Meine Provokation besteht in diesem Fall darin, dass diese Glasarche uns aus den Händen entgleitet. Wir brauchen die Natur und müssen sie mit Fingerspitzengefühl behandeln.“ 

Schmidt hat sich schon viel mit Engeln beschäftigt, und gestaltet sie schlicht, aber aussagestark. „Ich mache oft geöffnete Flügel, die sagen, ,Komm in meinen Schutz‘. Sie sind auch richtig groß, dass man sich reinsetzen oder stellen kann.“

In Geiselwind hat er den Engel der Liebe aus dem Holz herausgearbeitet. Schmidt hat diesen Engel so dargestellt, dass das Herz sich von innen heraus aus der Anatomie des Engels ergibt. „Er passt auf das  Herz auf und hat es in seiner Mitte. Er ist größer als die anderen, damit man zu diesem Engel aufschauen kann. Mein Engel soll den Überblick für mich haben.“