Editorial: Was zählt wirklich?

1401
Editorial von Susanne Borée, Redakteurin und Chefin vom Dienst beim Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Unterwegs am See – da scheint Corona so weit entfernt wie nie zu sein. Nur am Himmel brauen sich immer Wolken zusammen. Wird das Gewitter kommen? Das Wetter hilft dabei, dass sich die Menschen am Strand gut verteilen.

Da rücke ich niemanden zu nahe. Denn ich habe sie nun auch: die Corona-App. Ein paar Tage nach dem Erscheinen habe ich noch gezögert – das gebe ich offen zu. Ist sie wirklich sicher? Und überwachungsfrei? Untersuchungen von unabhängigen Organisationen wie dem „Chaos Computer Club“ und Gespräche mit Freunden, denen ich vertraue, überzeugten dann. Zuletzt blieb von allen meinen Bedenken das diffuse Gefühl: „Eigentlich will ich gar nicht wissen, ob ich eventuell infiziert bin. Da würde ich schlaflose Nächte bekommen. Es reicht ja schon, wenn die Symp-tome kommen.“

Diese Haltung war natürlich ziemlich unverantwortlich. Also holte ich sie mir. Nach meinen ersten Einkäufen konnte ich es kaum erwarten, auf sie zu schauen: Blinkte es? Natürlich hielt ich gleich noch einmal die Distanz zu anderen fast so ernsthaft ein wie zu Beginn der Corona-Zeit. Inzwischen ist auch da für mich wieder eine gewisse Routine eingekehrt. Doch es schärft das Bewusstsein, immer noch vorsichtig zu sein. Menschen gewöhnen sich an alles: an die Corona-Zeit ebenso wie an die langsamen Öffnungen in den vergangenen Wochen.

Spannend ist es da nicht nur zu sehen, was so ein Progrämmchen mit mir macht. Nein, es geht noch einmal viel weiter: Was hat die Corona-Zeit uns gebracht? Zählt da nur die Erleichterung, endlich einmal wieder ein wenig zur Normalität zurückzukehren? Oder hat uns das erzwungene Innehalten ein wenig mehr gebracht?

Viel habe ich mich mit der Frage beschäftigt, was für mich wirklich zählt. Wie möchte ich mein Leben verantwortlich führen? Und welche kleinen Träume habe ich für mein Leben, die sich noch veriwrklichen lassen? Es hilft mir dabei, das Strandwochenende richtig zu genießen. Und tief dankbar für die Bewahrung zu sein. Was ist mir wirklich wichtig?

Gerade da hoffe ich, dass wir nicht so einfach wieder zur Normalität zurückkehren. Dass aus unserem Innehalten neue Impulse entstehen! Und das bedeutet weit mehr, als Inline-Skaten, das ich in den vergangenen Wochen wieder begonnen habe und das meinen Körper und Geist so gut tut.