Andacht: Gott wird trösten und allen Hunger stillen!

766
Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Tros tes. Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. 

aus Jesaja 66,10–14

Ein Abend mit guten Freunden – die Erinnerung bleibt auch in Corona-Zeiten. Seit fünf Stunden sitzen wir schon zusammen, satt und zufrieden. Die Runde „stimmt“. Wir lachen und trinken und haben viele Themen, die uns miteinander verbinden. „Satt“, dieses Wort passt in vielerlei Hinsicht auf den Zustand, in dem ich mich befinde, als ich weit nach Mitternacht ins Bett gehe.

Unsere Freunde, die uns eingeladen haben, sind mir wichtig. Und heute Abend durfte ich neue, wunderbare Menschen kennenlernen und den Abend mit ihnen genießen. „Satt sein“, dieser Zustand hat eine zutiefst spirituelle Dimension. Denn satt sein ist der Zustand, den sich Gott für uns gedacht hat! Wer satt ist in der spirituellen Dimension, darf zur Ruhe kommen, sich in sich kehren. Wer satt ist in der spirituellen Dimension, von dem fällt innere Unrast ab, denn sein Hunger nach Liebe und Anerkennung ist gestillt. Frieden. Dankbarkeit. Geborgenheit. Gemeinschaft. Sinnerfüllung.

„Friede wie ein Strom, Reichtum wie ein überströmender Bach.“ Zurück ins Paradies, das ist die Richtung, in die Gottes Versprechen uns führen will. Zurück dorthin, wo die göttliche Ordnung herrscht und Gott und seine Schöpfung eins sind. Aber: Wir sind hier. Und wir sind jetzt hier. Hier, jetzt, in der Welt nach dem Paradies. Die „zweitbeste aller Welten“, wie es der Theologe Jürgen Ebach einmal beschrieb.

Dies, obwohl nun der Coronavirus täglich unzählige Schlagzeilen macht und in der das politische Kräftemessen zwischen Türkei und EU auf dem Rücken zahlloser Menschen ausgetragen wird, die aus ihren zerbombten Städten fliehen mussten. Acht Millionen oder elf Prozent der Weltbevölkerung hungern. Das ist jeder 9. Mensch. Aber auch die Seele hungert. Da hungern wir alle. Wir alle: siebeneinhalb Milliarden. Wir hungern nach Liebe. Nach Anerkennung.

Kein Geld auf der Welt kann den Hunger der Seele stillen. In wie vielen Konflikten leben wir, Streit immer wieder. Wer kennt nicht das bittere Gefühl der Enttäuschung: Ich wurde nicht beachtet. Ich habn wieder den Kürzeren gezogen. Ich habe nie eine Chance …

Auch heute genügen die Ernten der Welt, um den Hunger aller zu stillen. Und auch der Hunger unserer Sehnsüchte nach innerem Frieden muss nicht sein. Auch hier sorgt sich Gott um uns. Mit der gefallenen Schöpfung und unserer Welt, in der die einen auf Kosten der anderen leben, hat Gott wohl trotz allem nicht abgeschlossen, nein. Es scheint vielmehr, als sei er hoffnungslos verliebt in seine Welt und in seine Kinder, dass er ihnen täglich kostenlos zur Verfügung stellt, was sie glücklich machen und mit Frieden erfüllen kann.

„Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie‘s mir auch geht!“ Diese Zeile stammt aus einem Brief des Apostels Paulus kurz vor seinem Lebensende. Und er schreibt aus seiner Gefängniszelle an die Christengemeinden. Lasse ich es mir „genügen“, vertraue ich darauf, dass Gott meinen Hunger stillen kann.

Pfarrer Sebastian Stahl, Kaufbeuren-Neugablonz