Andacht: Der Geist Gottes ist auf mir

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN und einen Tag der Rache unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer, schöne Kleider statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden „Bäume der Gerechtigkeit“, „Pflanzung des HERRN“, ihm zum Preise.

Jesaja 61, 1–3

„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“ Ich erinnere mich heute noch an diesen Ausruf eines Klassenkameraden, als ich ihm in unserem letzten Schuljahr vor dem Abitur erzählte, dass ich mich entschlossen habe, Pfarrer zu werden. Dass man heute noch an ein göttliches Fabelwesen der Phantasie glauben könne und sich auch noch dafür engagieren, so wie ich als Jugendlicher in meiner Kirchengemeinde, das konnte nicht nur er nicht verstehen.
„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“ Manchmal stelle ich mir selbst diese Frage. Nicht nur als Pfarrer, sondern als Christ überhaupt müsste ich doch eigentlich Berufsoptimist sein. Doch wenn ich die Nachrichten einschalte, stelle ich mir manchmal schon die Frage, wo denn diese gute Zeit eigentlich ist, an die wir Christen glauben sollen, von der wir in unseren Kirchen singen, von der wir Pfarrerinnen und Pfarrer predigen.

„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“ Nein! Denn der Geist Gottes ist auf mir. Als Christen müssen wir keine Berufsoptimisten sein. Wir können es aber. Oft ist es leichter, alles schwarz zu sehen. Das gesamte Leben als Krise zu betrachten und in die Chöre derer einzustimmen, die alles im Untergehen begriffen sehen. Doch der Blick nach draußen kann zeigen, dass nicht alles so schwarz und dunkel ist, wie es uns manchmal verkauft wird. Nicht überall ist Streit und Krieg. Nicht überall wird das Schicksal unserer Umwelt und Natur und damit der Menschheit sich selbst überlassen. Nicht überall werden die Hungernden hungernd und die Krank krank gelassen. Weil wir eben nicht alle von allen guten Geistern verlassen sind. Sondern im Gegenteil. Weil sich viele Menschen immer wieder aufmachen, um einen Hoffnungsschimmer in das Leben von Einzelnen oder Vielen zu bringen.

Hier wird ein Stück von Gottes Liebe in die Welt getragen und weitergegeben. Hier wird den Elenden gute Botschaft gebracht, zerbrochene Herzen gebunden, Trauernde getröstet. Hier ist Gottes Geist in der Welt. Er ist auf uns. Er wirkt.

„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“ Nein! Denn solange ich hinaus in die Welt schauen kann und den Geist sehe, wie er in so vielen Menschen für so viele Menschen wirkt, weiß ich: Er ist da. Der Geist Gottes ist auf mir und mit mir. Der Geist Gottes ist auf uns und mit uns. Bei allem Zweifel und aller Dunkelheit dieser Welt: Der gute Geist hat uns nicht verlassen!


Pfarrer David Scherf, Amberg

Gebet: Guter Gott lass mich daran erinnern, dass du bei mir bist und mir meinen Weg erleuchten willst. Wenn mich alle Geister verlassen, lass mich gewiss sein: Dein Geist verlässt mich nie. Amen.

Lied 136: Komm, du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein