Spiel mit der Liebe

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Die Autorin Martina Hefter sowie das Buchcover. Fotos: PR
Die Autorin Martina Hefter sowie das Buchcover. Fotos: PR

Buchbesprechung: Ist der preisgekrönte Roman über Liebesschwindel beachtenswert?

Eine Frau Mitte 50 verkriecht sich in eine eigene Wirklichkeit. Zumindest während der Nacht – bis im Nebenzimmer dann ihr Mann ihre Hilfe braucht. Er ist schwer an Multipler Sklerose erkrankt: Ohne die Hilfe seiner Partnerin geht nichts mehr – auch wenn er als Schriftsteller durchaus Erfolge feiert und Preise entgegennehmen kann. 

Demgegenüber hangelt sich seine Frau immer noch als Tänzerin und Performerin von einem Projekt zur erneuten Förderung. Dabei lebt das Paar anscheinend im Wesentlichen von dem Pflegegeld, das sie für die Betreuung ihres Mannes erhält sowie von seinen Autorenhonoraren. Aus diesen Zutaten entwickelt Martina Hefter ihren preisgekrönten Roman über Liebesschwindel. Er hat durchaus autobiografische Züge: Auch der Mann der Autorin leidet an Multipler Sklerose, sie pflegt ihn.

In ihrem Roman trägt nicht nur unsere Heldin den Namen der alten lateinischen Göttin der Ehe und Fürsorge – Juno. Nein, auch ihr unheilbar kranker Mann ist Jupiter, der kraftstrotzende Göttervater. Im Tanz der Anspielungen scheint sich alles gern ins Gegenteil zu wenden. 

Juno gaukelt des Nachts durch Partnerbörsen – am liebsten chattet sie mit „Liebes-Betrügern“. Diese täuschen online einsamen Herzen die große Liebe vor – um ans Geld gerade älterer Frauen zu kommen.

Juno allerdings ist alles andere als naiv. Sie präsentiert sich selbst online als schier schwerelose Femme fatale und erfolgreiche, jugendliche Tänzerin – bei ihren fantastischen Spiegelbildern ihrer Wunschträume erscheint sie fantasievoller als der beste Liebesschwindler.

Da begegnet sie Benu – aus einem der tristen Internet-Cafés Nigerias. Sie chatten mehrere Monate lang und begegnen sich bald in Videokonferenzen. Schnell wird klar, dass ihr Kontakt kein heimlicher Prinz ist, sondern sich mit banalen Problemen der ärmeren herumschlagen muss – wie ständige Stromsperren des Nachts vor Ort. Wenn er dann im Kerzenschein sitzt, steigert das keinesfalls die Romantik. 

Zunächst erscheinen ihre Dialoge witzig und voller Esprit. Dabei ist sich Juno der Ungerechtigkeiten dieser Welt sehr bewusst: Die Tücken angeblicher Barrierefreiheit sowie immer mehr Rassismus und Ausbeutung entdeckt sie im Alltag, im Ballett und online. Handeln die „Love-Scammer“ aus benachteiligten Ländern nicht recht, sich einen Teil des so ungerecht verteilten Kuchens mit ihren Schwindeleien wieder zu holen? Wie schwer wiegt das persönliche Leid der Menschen, die ihnen vertrauten, dagegen? Zunehmend flirtet Juno mit dem Spuk der Vergänglichkeit, vor dem sie sich fürchtet. 

Betrügt sie ihren Mann? Jedenfalls nicht real. Höchstens auf übertragener Ebene, in der Sie mit einem fremden Menschen ausgiebig palavert, während sie in ihrer Beziehung immer wortkarger wird. Am meisten scheint sie sowieso sich selbst zu lieben – sowie ihren Körper: und dies am Rande des Alters. 

Betrügt sie da nicht eher sich selbst? Auch die geneigte Leserin fühlt sich zunehmend vom furiosen Beginn des Buches betrogen. Sie fragt sich, warum es den Deutschen Buchpreis erhielt. Zunehmend laufen sich Junos Reflexionen tot – werden zu Monologen und floskelhaft. Benu wird zum bloßen Adressaten, zur Folie dafür. Wer ist hier Opfer? Auch die mythische Ebene zwschen Juno zu Jupiter hätte sicher mehr Nuancen ergeben als das Buch herausholt. 

Die Idee ist schon originell. Doch etwas Entscheidendes fehlt – eine Handlung. Die Leserin erwartet lange hoffnungsfroh irgendetwas, das einem Spannungsbogen ähnlich sehen könnte – und sei es noch so abgedroschen: Dass Beno plötzlich vor der Tür steht. Oder dass Jupiter von ihrer virtuellen Affäre erfährt. Irgendetwas. Oder ist die zunehmende Inhaltsleere die Konsequenz aus der Idee?

Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir? Argon Verlag, Berlin 2024, Printausgabe 224 Seiten sowie als MP3-Hörbuch für 22 Euro, E-Book 17,99 Euro; ISBN: 978-3-608-98826-0.

Vorsicht! „Love-Scamming“ ist nur im Roman ein Spiel!

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