
Glänzende Schau zur Frührenaissance am Vorabend von Reformation und Bauernkrieg
Sie ist das größte Ausstellungsstück einer prunkvollen Schau: Die Moritzburg in Halle selbst, Sitz des örtlichen Kunstmuseums und nun der Sonderausstellung zur Frührenaissance. 1479 begann ihr imposanter Ausbau durch den jungen Ernst II., Erzbischof von Magdeburg. Als Elfjähriger kam er bereits Anfang 1475 in dies Amt. Denn er entstammte der Fürstenfamilie der Wettiner, deren Territorien an die Magdeburger Gebiete angrenzten. Damit war er der jüngere Bruder Friedrichs des Weisen (* 1463) . Da lohnt sich auch eine Beschäftigung mit ihm.
Natürlich war der junge Ernst bei der Amtsübernahme für sein Amt keineswegs genügend ausgebildet oder gar zum Priester geweiht. Doch ein entsprechender päpstlicher Dispens stellte bei seiner Herkunft kein Problem dar, obwohl er sich erst Ende 1489 zum Erzbischof weihen und ordinieren lassen konnte. Doch direkt nach der Wahl begann er seine prunkvolle Herrschaft.
Neben Magdeburg verwaltete er auch die Gebiete rund um Halle. Die Regionen hingen nicht miteinander zusammen, aber auch das machte nichts. Nach Unruhen in Halle konnte er 1478 die Stadt völlig seiner Herrschaft unterwerfen. Und ab 1479 war er zudem Administrator im Bistum Halberstadt. Er vollendete die Dome dort und in Magdeburg.
Und Ernst II. war für den Schutz der Juden vor Ort zuständig, deren Lage auch rund um Magdeburg Ende des 15. Jahrhunderts immer schwieriger geworden war. Er trug das Seine dazu bei: Als Richter in einem Hostienschänderprozess brachte Ernst II. im Oktober 1492 insgesamt 27 Juden auf den Scheiterhaufen. Im kommenden Jahr mussten die 150 bis 200 Juden das Gebiet des Erzbistums Magdeburg verlassen. Es ist unklar, ob sie damals überhaupt noch in Halle wohnten. Dort ist zwar seit 1184 eine Gemeinde nachweisbar, doch scheinen sie bereits Jahrzehnte zuvor aus der Stadt vertrieben zu sein. Die Synagoge erhielt 1467 ein Stadtbürger.
Moritzburg als prachtvoller Bau
Direkt 1479 plante Ernst die Moritzburg, deren Grundstein 1484 gelegt wurde. Sie entstand teils auf dem Gebiet des Judendorfs vor Ort. Imposant markiert sie den Übergang zwischen Spätgotik und Frührenaissance. Seit 1503 residierte hier der Erzbischof besonders gerne. Da war Ernst II. bereits an der neuartigen, aus Amerika eingeschleppten Syphilis erkrankt – für einen Kirchenfürsten wohl besonders peinlich. Bereits 1513 verstarb er.
Zum Schloss gehört auch die Maria-Magdalena-Kapelle, in der Ernst II. seine Reliquiensammlung, das Hallesche Heiltum, zusammentrug und aufbewahrte. Dazu stand er mit anderen Bischöfen und Fürsten in direktem Wettstreit – auch mit seinen Brüdern Friedrich dem Weisen, der seine Herrschaft 1486 antrat, und Johann dem Beständigen. Anders als diese gewinnt er wenig Profil – weder in der Schau noch in dem Katalog, in dem seine Biografie gerade zwei Seiten Text umfasst. Eher erscheinen vor diesem Hintergrund seine Brüder noch reflektierter.
Die Schätze Erzbischofs Ernst bildeten die Grundlage für die berühmte Reliquiensammlung seines Amtsnachfolgers Albrecht V. von Brandenburg. Dieser war auch bald Erzkanzler des Reiches, Kardinal, Erzbischof und Kurfürst von Mainz – also der Mann, mit dem sich Martin Luther anlegte: Denn 1517 holte der neue Erzbischof den Prediger Johann Tetzel, um den Ablasshandel neu zu planen. Er finanzierte damit seine Ämterhäufung sowie einen weiteren Aufbau der Reliquiensammlung, die bald Hunderte an Objekten umfassen sollte. Nach der Durchsetzung der Reformation in Mitteldeutschland zog er sich nach Mainz zurück.
Sammler prachtvoller Kunst – selbst etwas zerrissen?
Zurück zu Ernst II.: Er war nicht nur an Reliquien interessiert, sondern insgesamt kunstinteressiert. Er beauftrage bekannte Künstler aus Italien und Süddeutschland. Auch Lucas Cranach der Ältere war für ihn tätig. Hans Baldung Grien aus Nürnberg erhielt einen Auftrag für zwei Renaissance-Altäre. Die Ausstellung zeigt gut 250 bedeutende und prächtige Werke der Frührenaissance. Auch Peter Vischer und Albrecht Dürer aus Nürnberg lassen sich dort entdecken. Vor Ort in Mitteldeutschland haben sich wenig Kunstwerke dieser bewegten Zeit. Vieles kehrte nun wieder in die Region ihres einstigen Förderers zurück.
„Die gesellschaftlichen und künstlerischen Prozesse der Zeit um 1500 finden in einem Spannungsfeld zwischen Bewahrung der Traditionen und gravierendem Modernisierungs- und Veränderungsdruck der Gesellschaft statt, was zu den beiden Großereignissen Reformation und Bauernkrieg führte“, so der Anspruch der Ausstellung. Allerdings schwelgt sie genauso wie der Katalog in den prächtigen Kunstwerken.
Gleichzeitig wirkt sie ein wenig zerrissen. Dies ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass sie in mehrere Räume aufgeteilt ist, die ebenso wenig miteinander zusammenhängen wie die Herrschaftsgebiete Ernst II. in Magdeburg und Halle. So muss der Weg zur Fortsetzung innerhalb der Dauerausstellung jeweils erfragt werden. Da bieten die drei Medienstationen wenig mehr Orientierung, die 3D-Modelle der prunkvollen Grablege Ernsts II. in Magdeburg und der ursprünglichen Gestalt der Moritzburg vor der ersten Zerstörung zeigen. Denn im Dreißigjährigen Krieg wurde die Moritzburg massiv beschädigt. Erst 1904 wurde sie renoviert und zum Museum ausgestaltet, das nach der Wende weiter ausgebaut wurde.
Auch die Bezüge zum Bauernkrieg – zu dessen 500. Jubiläum diese Ausstellung bereits Ende 2024 als eine der ersten begann – bleiben wenig eindrücklich. Sicher, ein Kupferstich von Albrecht Dürer mit drei Bauern ist zu entdecken: Diese tauschen sich aus oder können sich auch meinetwegen miteinander verschwören – jedoch entstand dies Werk 1497. Aber Ernst II. verstarb nun einmal ein Dutzend Jahre zuvor.
Sicherlich konnte er es nicht aus den Ärmeln schütteln, bereits in so jungen Jahren wohl im Familieninteresse herrschen zu müssen. Doch erscheint Ernst II. offenbar als ein typischer Kirchenfürst der Renaissance, der bei aller Pracht vieles personifiziert, wogegen sich dann die Reformatoren aber auch die auf-
ständischen Bauern wandten.
Ausstellung bis zum 2. März täglich außer mittwochs 10–18 Uhr in der Moritzburg, Halle sowie in den Domen zu Magdeburg und Halberstadt. Sie gehört zum Gedenkjahr „Thomas Müntzer & 500 Jahre Bauernkrieg“. Mehr Infos online: https://www.kulturstiftung-st.de oder telefonisch 0345/21259-0. Gleichnamiger Katalog ISBN 978-3-69001-000-9; 400 S.; 45 Euro, vor Ort für 35 Euro.