Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch zum 27. Januar
Der 27. Januar, Tag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945, ist erst seit 1995 ein offizieller deutscher Gedenktag, der so recht noch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung verankert scheint. Das Sonntagsblatt hat deshalb seinen Umfang vergrößert, wissen wir doch, dass dieser Tag nicht unumstritten ist.
Es sei beschönigend, in Solidarität mit der Opferseite an das Ende des Mordens zu erinnern, schrieb einmal die linkliberale Berliner Tageszeitung (taz): Denn da werde Erinnerung zubetoniert und an der Seite der Sieger ein historischer Schlussstrich gezogen.
Was natürlich Quatsch ist. Von Jahr zu Jahr ist festzustellen, dass man diesen Tag durchaus engagiert begeht – zum Beispiel in der Reformationsgedächtniskirche Nürnberg-
Maxfeld, wo jährlich Schülerinnen und Schüler, eine Abordnung der Stadt und die Kirchengemeinde eindrucksvoll zusammenwirken.
In vielen Schulen wird um den 27. Januar die Diskriminierungs- und Vernichtungsmaschinerie der Nazis thematisiert. Gerade jetzt, da der Antisemitismus wieder neu aufflackert, kann ein weiterer Gedenktag (neben dem 9. November) nicht schaden. Zumal seit dem 7. Oktober 2023, als Hamas-Terroristen ein Blutbad unter friedlichen Israelis anrichteten, die Debattenkultur mehr als vergiftet ist.
Auf Demonstrationen brennen Israelfahnen. Dabei gilt es zwischen einer berechtigten Israelkritik wegen einer Kriegsführung, die zivile Opfer in Gaza und im Libanon in Kauf nahm und nimmt, und einem Antisemitismus, der auf leisen Sohlen und oft verklausuliert daherkommt, zu unterscheiden. Dazu gehört Bildung: Man muss sich der vergangenen Fehler und ja: auch Sünden bewusst sein. Denn natürlich gab es einen christlichen Antijudaismus schon bevor die Nazis ans Ruder kamen. Er ließe schweigend geschehen, was an Schrecklichem dann bis 1945 geschah.
Ich bin der Meinung, dass die meisten von uns, ihre Lektion gelernt haben; doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Gerade in diesen Tagen, vor einer entscheidenden Wahl, müssen wir sprachfähiger werden, um die Verführungskünste am extrem-rechten Rand zu erkennen und den ach so einfachen Wahrheiten ein Wissen entgegenzusetzen, das keinen Zweifel an unserer Überzeugung aufkommen lässt. Vielleicht hilft dabei ja die Lektüre dieses Sonntagsblatts.