Hoffnungsfrohe Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern
Wie wird’s morgen? Vielleicht regnet’s. Vielleicht wird’s aber auch wunderbar … Josuas Wundervorhersage jedenfalls ist verheißungsvoll:
Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. nd der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein.
Josua 3,5–7
Morgen wird der Herr Wunder unter euch tun! Das ist doch mal ein Mutmacher! Das ist etwas anderes als die düsteren Prognosen zum Amtsantritt von Donald Trump als Präsident von Amerika. Entgegen eingeübter Verdrießlichkeit sagt Josua ohne Vorbehalt voraus: Morgen Wunder! Wunderwahrscheinlichkeit hundert Prozent! Damals wie heute werden Leute den Kopf geschüttelt haben über Josua, den Träumer. Wunder? Quatsch!
Wunder sind nichts für Leute, die gern die Kontrolle haben. Und für Leute, die gern alles begreifen, sind Wunder auch eine Herausforderung. Andererseits ist die Offenheit für Wunder eine logische Folge des Glaubens. Das Christentum, so verstehe ich es, setzt ein riesiges Fragezeichen hinter die ganze Welt und lauter kleine Fragezeichen hinter alle angeblichen Gewissheiten. Christ zu sein bedeutet für mich, einen hoffnungsvollen Zweifel an allem zu hegen.
Diesen hoffnungsvollen Zweifel kann ich gut mit dem Glauben in Verbindung bringen, von dem Jesus spricht. Beim Glauben, so Jesus, reicht schon ein winziges Bisschen – ein Senfkorn. Genau wie beim Fragezeichen. Es geht nicht darum, dass ich alles ganz stark anzweifle und auch nicht darum, dass ich genau weiß, wie es nach Gottes Willen sein sollte oder wie es mal werden wird. Stattdessen bedeutet Glauben für mich: Mit Gott rechnen.
Und ja, auch wenn ich es nicht so ausdrücken würde, es bedeutet auch, mit Wundern zu rechnen. Eine Hintertür in meinen Gedanken, Plänen, Wünschen, Sorgen und vermeintlichen Gewissheiten für Gott offenhalten. Inspiriert von dem Aufruf der Psychoanalytikerin Verena Kast, abschiedlich zu leben, wäre es der Wundervorhersage Josuas angemessen, ankünftlich zu leben – offen für die Ankunft Gottes in meiner Welt.
Gewiss ist es hilfreich, etwas Sichtbares, Greifbares an der Hand zu haben. Aber so ist Glaube nicht. Das Fragezeichen des Glaubens kann im besten Fall Hoffnung aufkeimen lassen. Dietrich Bonhoeffer schreibt: So gewiss der Mensch glaubt, so gewiss hofft er. Und es ist keine Schande zu hoffen, grenzenlos zu hoffen.
Ich möchte damit nicht zur Naivität aufrufen. Es gibt Grund zur Sorge. Aber für mich gehört dennoch hinter jede Sorge (und hinter alles andere) das Fragezeichen des Glaubens. Und damit die Möglichkeit – zumindest in Gedanken und in Hoffnung – dass es gut werden könnte. Vielleicht wird Gott morgen Wunder unter uns vollbringen. Und wenn nicht? Dann vielleicht übermorgen!
Steffen Barth, Pfarrer in Olching-Maisach
Lied: Wir haben Gottes Spuren festgestellt (KAA 060)