„Lieber obdachlos als hoffnungslos“

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Sie gaben unter anderem Impulse beim Fachtag zur Obdachlosigkeit in ländlichen Regionen: Holger Nießlein (Sozialreferent der Stadt Ansbach), Karola Kreutner (Leiterin Wohnungslosenhilfe des Diakonisches Werkes Ansbach), Markus Schlötterer (Wohnungsnothilfe der Stadt Ansbach) sowie Roland Pfaffelhuber (Leiter der Rothenburger Dienststelle für Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Soziales). Foto: Borée
Sie gaben unter anderem Impulse beim Fachtag zur Obdachlosigkeit in ländlichen Regionen: Holger Nießlein (Sozialreferent der Stadt Ansbach), Karola Kreutner (Leiterin Wohnungslosenhilfe des Diakonisches Werkes Ansbach), Markus Schlötterer (Wohnungsnothilfe der Stadt Ansbach) sowie Roland Pfaffelhuber (Leiter der Rothenburger Dienststelle für Öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Soziales). Foto: Borée

Diakonisches Werk Ansbach organisierte Fachtag zur Obdachlosigkeit auf dem Lande

„Hinter jedem Obdachlosen steht ein Mensch!“. So beschreibt Roland Pfaffelhuber als Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Rothenburg ob der Tauber seine vernetzten Perspektiven. Denn gleichzeitig beinhaltet seine Dienststelle auch den Bereich „Soziales“. 

Beim Fachtag der Diakonie Ansbach zum Thema „Obdachlosigkeit als Herausforderung in ländlichen Kommunen“ berichtete er eindrücklich davon, wie sich in der Tauberstadt auch Ehrenamtliche auf diesem Gebiet engagieren: Neben den Fachkräften suchen sie ebenfalls wohnungslose Menschen in ihrer Notunterkunft auf: Sie kümmern sich wöchentlich um ein gemeinsames und nachhaltiges Essen, helfen bei Behördengängen – oder besorgen jetzt im Advent einen Weihnachtsbaum.

So konnten auch die rund 70 Teilnehmenden am Fachtag weitergehende Perspektiven gewinnen: Es waren zumeist Verantwortliche für die Unterbringung von Obdachlosen in den Kommunen sowie Mitarbeitende der Wohnungsnotfallhilfe benachbarter Landkreise, die damit eher neu zu tun haben. 

Im Rothenburger Spitalhof leben aktuell zehn Menschen in jeweils einem Raum der Unterkunft – zu Spitzenzeiten gab es durchaus Doppelbelegungen, so Pfaffelhuber. Für sie steht eine Gemeinschaftsküche zur Verfügung. Ferner lebt eine Mutter mit zwei Kindern in einer Notfallwohnung.

Im gesamten Landkreis gibt es insgesamt 52 wohnungslose Menschen. Sie betreut das Diakonische Werk Ansbach als Träger der Fachstelle Wohnungsnotfallhilfe in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen. Auch in Rothenburg wird dafür eine Stelle gerade wieder besetzt.

Martin Reutter konnte als geschäftsführender Vorstand des Ansbacher Diakonischen Werkes beim Fachtag auch Birgit Riesner als Regierungsvizepräsidentin von Mittelfranken begrüßen. Denn das Problem wird auch in eher ländlich geprägten Regionen drängender. Der frühere Ansbacher Dekan Hans Stiegler moderierte.

Zunächst zeigte sich: Ein „wohnungsloser“ Mensch ist nicht unbedingt „obdachlos“. Es ist eine Person, die „nicht über mietvertraglich abgesicherten Wohnraum oder entsprechendes Wohneigentum verfügt“ – also etwa in einer Notunterkunft. Oder auch bei Bekannten ohne geregelte Vereinbarung. „Obdachlos“ ist dagegen, „wer nicht über eine Unterkunft verfügt, die Schutz vor den Unbilden des Wetters bildet“ – also auf der Parkbank oder in der Bahnhofspassage lebt.

„Wo soll ich denn hin?“, mit dieser verzweifelten Frage wandte sich ein Ratsuchender an Karola Kreutner, die die Wohnungslosenhilfe des Diakonisches Werkes Ansbach leitet. Sie konnte auch in diesem Fall vorbeugend tätig werden. Ihr gelang es „innerhalb einer halben Stunde“ eine Regelung für die aufgelaufenen Mietschulden ihres Gegenübers zu finden, die zu der Kündigung geführt hatten. 

Als nächsten Schritt ging es Kreutner darum, die Gründe für die angehäuften Schulden zu klären. Denn zukünftig sollte dem Ratsuchenden dies nicht mehr passieren – denn sonst könnte die Kündigung schnell wirksam werden.

Trotz des traurigen Hintergrundes seiner Arbeit, sieht Markus Schlötterer durchaus „Glücksmomente“ dabei. Der Sozialpädagoge geht regelmäßig in die Unterkünfte der wohnungslosen Menschen in Ansbach oder in die Tagesaufenthaltsstelle für sie. Auch ihm ist es wichtig, den Betroffenen „auf Augenhöhe“ zu begegnen, um mit ihnen zusammen Lösungen zu finden, wenn die präventive Arbeit nicht fruchtete. 

Er riet allen Teilnehmenden des Fachtages sich zu vernetzen: auch mit anderen Kommunen oder mit freien Trägern. Unterstützung erfährt er durch Holger Nießlein, der als leitender Rechtsdirektor und Sozialdezernent der Stadt Ansbach auch gegenüber dem Stadtrat vertritt, dass diese Arbeit unbefristet angelegt sein muss. 

Versteckte Wohnungslose

Von sozialwissenschaftlicher Seite näherte sich Dr. Nora Sellner von der TH Nürnberg dem Thema. Denn längst ist dies Problem nicht mehr auf die großen Städte beschränkt. In kleineren Orten geschieht es zwar eher versteckt. Bezahlbarer Wohnraum ist auch in kleineren Orten knapp. Mieten und Lebenshaltungskosten steigen. Auch dort sind manche Menschen damit überfordert sich rechtzeitig Hilfe zu holen. Nicht nur große Krisen wie eine dramatische Scheidung oder Süchte können zum Wohnungsverlust führen.

Eine dezentrale Lage vieler Notunterkünfte, wenig Infrastruktur, lange Strecken auch für die Helfenden: All das sind Probleme, mit denen gerade in kleineren Kommunen wohnungslose Menschen zu kämpfen haben. Oft ist der Anteil an Familien mit Minderjährigen größer. 

Es gäbe größere „Reibungsverluste“ zwischen Ordnungs- und Sozialamt: Je mehr die Kommunen die Zuweisung von Notunterkünften als rein ordnungsbehördliche Entscheidung sehen und je weniger Sozialarbeiter bei der Beratung integriert sind, desto weniger Perspektiven hätten Wohnungslose. Das „drei­gliedrige System“ aus Prävention, sozialen Hilfen in den Unterkünften sowie der Verwaltung helfe Wohnungslosen am wirkungsvollsten.

Gerade wohnungslose Menschen, die als schwierig gelten, erhalten schlechtere Unterkünfte etwa in Mehrbettzimmern und würden auch weniger unterstützt. Denn natürlich, auch das vernachlässigte der Fachtag nicht, gibt es herausfordernde Menschen in der ordnungsrechtlichen Unterbringung. 

Da konnte der frühere Regierungspräsident von Unterfranken, der Jurist Dr. Eugen Ehmann, aus seinen Erfahrungen berichten. Er zeigte den Versammelten aber auch Wege lebenspraktische und teils sogar humorvolle Wege auf, damit oder mit teils unklaren Zuständigkeiten umzugehen.

Schließlich braucht jeder Mensch neue Perspektiven – nicht nur in
der Adventszeit. Da zitiert Markus Schlötterer den Ausspruch eines Betroffenen: „Besser obdachlos als hoffnungslos“.

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