Ziel unserer Sehnsucht

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über den Zug zum Zion

In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Er wird unter vielen Völkern richten und mächtige Nationen zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat‘s geredet. Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich! 

Aus Micha 4,1–5

Die Sehnsucht trieb ihn um. Der russische Adelige Pierre wandelte sich auf der Suchwanderung des Lebens vom einfältigen Großerben bis zum Kriegsgefangenen der französischen Besatzer Moskaus im Jahre 1812. Die Suche nach sich war die Sehnsucht nach Erneuerung. 

Nach der Kriegsgefangenschaft genest Pierre in einer fremden Stadt. Er fühlt eine nie dagewesene innere und äußere Freiheit. Auf den letzten Seiten des Mammutwerkes „Krieg und Frieden“ stellt sich Leo Tolstois Romanfigur Pierre Besuchow die Frage seines Lebens: „Nun, und weiter? Was werde ich tun?“ Die Antwort fällt ihm wie Schuppen von den Augen: „Nichts. Ich werde leben. Ach wie wundervoll!“ 

Pierres Suche ist mit nicht unbekannt. Wie Pierre nehme ich mir Ziele für mein Leben
vor. Ich lebe in eine Richtung. Pierre hatte sich Ziele gesteckt. Doch Lebenserfahrungen rund um die Gefangenschaft haben ihn verändert: „Er konnte kein Ziel haben, weil er jetzt den Glauben hatte (…) an den lebendigen, immer erfühlbaren Gott“. Pierre blickt nun nicht mehr in die Ferne, sondern sieht Gott direkt vor sich – er lebt jetzt. Nun schaut er „freudig auf das Leben um ihn her, dieses ewig sich ändernde, ewig große, unfassliche und unendliche Leben“.

Auch mich treibt die Sehnsucht nach Neuem um. Welche Ziele sind mir wichtig? Ich stelle mir in meiner Lebensphase die Frage des „Warum das alles?“. Ich lese gerne, wie Pierre sich auf den vielen Seiten verändert, Neues dazulernt, manches wieder verwirft.

Jetzt gibt Pierres Seele die Antwort auf die brennende Frage: Warum? – „Darum, weil Gott ist, dieser Gott, ohne dessen Willen kein Haar vom Haupte eines Menschen fällt“. 

Pierre gibt die Suche nach dem Lebenssinn auf. Früher galt er als unglücklicher Mensch. Jetzt leuchtet Lebensfreude in seinem Gesicht. Seine Augen fragen die Menschen: „Sind sie auch ebenso zufrieden wie ich?“. Pierre wandelt im Namen des nahen Herrn. Seine Gegenwart tut gut. Ist Pierre mein Vorbild? Vielleicht.

Dekan Dr. Manuél Ceglarek, Bayreuth–Bad Berneck, Region Nord

Gebet: Guter Gott, du bist die Antwort auf alles Warum. Bewege mein Leben. Still meine Sehnsucht. Amen.

Lied EG 152: Wir warten dein